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Auswanderin Beatrice Buholzer: «Wir hatten die Routine unseres Berufslebens satt»

Mitte 50 wagten Marcel und Beatrice Buholzer den mutigen Schritt, auf die griechische Insel Kreta auszuwandern. Ihr Traum war es, eine eigene Rock- und Blues-Bar zu eröffnen und noch einmal voller Leidenschaft durchzustarten. 2014 wanderten sie aus, neun Jahre lebten sie dort ihren Traum, im Januar 2023 starb Marcel Buholzer jedoch an einem Herzinfarkt. Kehrt Beatrice Buholzer jetzt in die Schweiz zurück?

Strand und Meer
Zwischen Malia und Sissi betreibt Beatrice Buholzer ihr Bed und Breakfast. © Gatsi / iStock / Getty Images

MeineEltern: Zunächst einmal möchte ich Ihnen mein Beileid aussprechen, da Ihr Mann Marcel Buholzer leider im Januar an einem Herzinfarkt verstorben ist. Kamen nach dem Tod Ihres Mannes Gedanken auf, zurück in die Schweiz zu ziehen?

Beatrice Buholzer: Gar nicht! Ich lebe seit neun Jahren hier und Kreta ist eindeutig zu meiner Heimat geworden.

Haben Sie Freunde und Familie, die Sie unterstützen und helfen, das Leben nach dem Tod Ihres Mannes auf Kreta zu meistern?

Ja, ich habe viele gute Freunde in Griechenland, die mich unterstützt haben. Nach dem Tod meines Mannes blieben sie abwechselnd zwei Monate bei mir. Ich glaube, ohne Freunde wäre ich in dieser schwierigen Zeit in die Schweiz zurückgekehrt. Auch pflege ich regelmässigen Kontakt zu meinen beiden Kindern und deren Enkelkindern in der Schweiz. Direkt am nächsten Tag nach dem Tod meines Mannes kam meine Tochter zu mir, um mich zu unterstützen. Obwohl Marcel nicht ihr leiblicher Vater war, haben wir immer gesagt: «Meine Kinder sind auch seine Kinder».

Wieso haben Sie sich damals dazu entschlossen, auf Kreta auszuwandern?

Als Marcel 57 und ich 54 Jahre alt waren, sehnten wir uns nach einer Veränderung und waren die tägliche Routine unserer Berufe leid. Marcel arbeitete im Aussendienst als technischer Verkäufer und ich war Filialleiterin im Bereich Damenmode. Zwar war unser ursprünglicher Plan, erst später auszuwandern, doch es stellte sich heraus, dass unsere vorzeitige Auswanderung das Beste war, was uns passieren konnte. Einer der Gründe war die Nähe zu unserer Familie – ein nur dreistündiger Flug reicht aus, um wieder beisammen zu sein.

Sind Sie, obwohl Sie jetzt auf Kreta leben, manchmal nostalgisch und vermissen bestimmte Aspekte Ihres Lebens in der Schweiz?

Ich vermisse bestimmte Dinge wie Schweizer Käse. Allerdings bringen die Stammgäste meines Bed and Breakfast oft Leckereien aus der Schweiz mit.

Wie würden Sie Ihre Erfahrungen der letzten neun Jahre auf Kreta beschreiben?

Die ersten zwei Jahre waren nicht einfach, da wir mehr gearbeitet haben, als in der Schweiz. Wir wollten, dass die neu eröffnete Bar gut läuft. Dafür genossen wir im Winter sechs Monate Ruhe. Was die Arbeit angeht, ist die griechische Mentalität nicht so streng wie in der Schweiz. Die Griechen sind sehr offen und warmherzig. Sicherlich spielt auch das schöne Wetter eine Rolle. Es trägt zur positiven Lebensqualität bei.

Der Umgang mit bürokratischen Hürden wie Visa und Arbeitserlaubnis kann bei einem Aufenthalt im Ausland zur Herausforderung werden. Wie haben Sie das auf Kreta erlebt?

Wir haben die Aufenthaltsbewilligung ohne Probleme erhalten und es dauerte nur paar Tage. Zwar sprachen die Behörden damals bei unserer Anreise nur Griechisch, doch das hat sich inzwischen geändert. Viele Behördenmitglieder sprechen heutzutage fliessend Englisch. Dadurch kann ich heute meine Geschäfte mit den Behörden ohne Komplikationen erledigen.

Sprechen Sie kein Griechisch?

Nein, ich kann viele Wörter verstehen und sprechen, jedoch keine Unterhaltung führen. Es ist mir zu schwierig und während der Saison habe ich keine Zeit zum Lernen. Viele sprechen Englisch und die Griechen freuen sich, wenn ich ein paar Worte in ihrer Sprache mit ihnen wechsle.

Wann wurde Ihnen klar, dass Kreta Ihre neue Heimat geworden ist?

Bereits in den ersten Monaten nach der Auswanderung wussten wir, dass Kreta unsere neue Heimat geworden war. Wir hatten beide das Gefühl, dass wir nicht mehr zurückwollten in die Schweiz. Besonders schätze ich die Fähigkeit der Griechen, das Leben zu geniessen, wobei jeder immer ein Lächeln im Gesicht hat. Auch die Hilfsbereitschaft wird gross geschrieben. Jeder hilft jedem, egal ob Ausländer oder Grieche.

Was sind kulturelle Unterschiede zwischen der Schweiz und Griechenland?

Die Handwerker sind nicht so zuverlässig wie in der Schweiz. Oft versprechen sie, am nächsten Tag zu kommen, aber in Wirklichkeit kann es bis zur nächsten Woche dauern, bis sie tatsächlich erscheinen. Daran muss man sich als Schweizerin zuerst gewöhnen.

Die Lebenshaltungskosten sind in Griechenland durchschnittlich niedriger als in der Schweiz. Wie spüren Sie das?

Obwohl die allgemeinen Lebenshaltungskosten auf Kreta deutlich niedriger sind als in der Schweiz, gibt es dennoch Unterschiede bei den Einzelposten. So sind etwa Strom und Benzin auf der Insel erheblich teurer. Trotz dieser höheren Kosten bleibt das Leben auf Kreta insgesamt günstiger als in der Schweiz, da andere Posten wie etwa die Miete, deutlich niedriger sind. So ist es möglich, hier bereits für 300 Euro im Monat eine Wohnung zu mieten.

Sie beziehen eine Altersrente aus der Schweiz. Wie kommen Sie mit Ihrer Rente über die Runden?

Mit meiner monatlichen Rente komme ich sehr gut zurecht. Nebenbei spare ich etwas Geld für die zusätzliche Absicherung im Alter. Ich bin zwar in der Schweiz krankenversichert. Im Krankheitsfall benötige ich aber möglicherweise mehr Geld. Deswegen vermiete ich drei Zimmer in meinem 340 Quadratmeter grossen Haus. Damit verdiene ich ein zusätzliches Einkommen und kann Geld sparen.

Was ist aus der Bar geworden, die sie mit ihrem Mann geführt haben?

Die Bar haben wir nach fünf Jahren aufgegeben, da wir uns nach mehr Freizeit sehnten. Die Bar wurde verkauft und ist jetzt ein griechisches Kaffee.

Waren Sie schon jemals ernsthaft krank?

Ich musste einen Eingriff zur Anhebung der Blase durchführen lassen. Die Operation dauerte 30 Minuten. Wir entschieden uns für eine Periduralanästhesie (PDA) im Rücken. Leider hat der Anästhesist einen Nerv getroffen, was zu einer vorübergehenden Lähmung führte.

Es gibt Krankenversicherungen in der Schweiz oder im Ausland. Wie sind Sie versichert?

Vor Bezug der AHV-Rente und mit dem Geschäft waren wir automatisch vom griechischen Staat krankenversichert. Als wir jedoch die AHV-Rente bezogen, mussten wir uns in der Schweiz krankenversichern. Damit kann ich hier öffentliche Spitäler aufsuchen, die Abrechnung erfolgt über die Schweizer Krankenkasse. Ich könnte sogar für Operationen in die Schweiz fliegen.

In der Schweiz leben Grosseltern häufig in enger Nachbarschaft zu ihren Kindern und Enkeln. Das ist bei Ihnen nicht der Fall. Wie stellen Sie sich Ihren eigenen Alterungsprozess vor, wenn Sie kein enges familiäres Netzwerk in der Nähe haben?

Ich nehme es so, wie es kommt. Ich habe hier gute Freunde. Zudem pflege ich zu meiner Reinigungskraft eine gute Mutter-Tochter-Beziehung. Ich bin überzeugt, dass sie mir helfen würde, wenn ich in einer schwierigen Situation wäre. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Auch vor medizinischer Unterversorgung habe ich keine Angst. Bei Notfällen kann ich hier auch ins Krankenhaus gehen, die Ärzte sind ausgezeichnet.

Kreta bietet Sonnenschein, Strand und freundliche Menschen. Aber gibt es auch Kritikpunkte?

Ich empfand die Situation in Bezug auf den Tierschutz auf Kreta zu Beginn verheerend. Es war keine Seltenheit, Hunde zu sehen, die tagelang ohne Nahrung und Wasser angekettet waren. Glücklicherweise hat sich die Situation mittlerweile erheblich verbessert. Es besteht nun sogar die Möglichkeit, über eine spezielle Hotline Verstösse gegen den Tierschutz zu melden.

Welchen Rat würden Sie Seniorinnen und Senioren geben, die über einen Umzug ins Ausland nachdenken?

Wandern Sie nicht planlos aus. Wir haben uns zwei Jahre lang vorbereitet. Vor unserer Auswanderung hatten wir rund 150 000 Franken gespart. Selbst wenn wir zwei Jahre kein Einkommen gehabt hätten, hätte das Geld gereicht. Glücklicherweise hatten wir sofort Einnahmen aus der Bar.

Ich empfehle jedem, der Auswandern möchte mindestens 100 000 Franken dafür zu sparen. Bevor wir uns endgültig zur Auswanderung entschlossen, besuchten wir zweimal im Jahr mehrmals denselben Ort auf Kreta. Wir haben dort Kontakte geknüpft, uns Wohnungen angeschaut und eine Steuernummer beantragt. Die Steuernummer benötigt man hier als eine Identifikations-Nummer. Man benötigt sie für den Austausch mit Behörden und Ämtern, für den Kauf von Liegenschaften, Anmelden eines Telefonanschlusses und für den Bankverkehr. Und als wir schliesslich auswanderten, hatten wir bereits alles vorbereitet.

Beatrice Buholzer
© zVg.

Zur Person

Beatrice Buholzer, 63 Jahre, betreibt ein Bed and Breakfast auf Kreta, gelegen zwischen den Ortschaften Sissi und Malia. Das Schweizer Fernsehen begleitete sie und ihren mittlerweile verstorbenen Ehemann bei ihrem Umzug.

 

Von Jana-Jasmin Rudolph

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