Mehrere Generationen unter einem Dach: Das sind die Vor- und Nachteile
In der Schweiz gibt es zahlreiche Mehrgenerationenhäuser. In solchen Wohnungen leben junge und alte Menschen gemeinsam unter einem Dach. In dieser Wohnform kommen unterschiedliche Generationen mit ihren eigenen Ansichten und Erfahrungen ins Spiel. Das ist interessant, birgt aber auch Konfliktpotential. Jeder muss sich selbst fragen, ob er für so eine Wohnform geeignet ist. Worauf Sie achten sollten, damit das Zusammenleben mit Älteren und Jüngeren funktioniert.
Mehrgenerationenhaus – das Wichtigste in Kürze:
- Mehrgenerationenhäuser sind Orte, an denen alle Menschen willkommen sind – unabhängig von Alter oder Herkunft. Mehr dazu erfahren
- Formen des Mehrgenerationenwohnens reichen von Ein- oder Mehrfamilienhäusern mit wenigen Parteien bis hin zu grossen Siedlungen mit zahlreichen Familien. Welche Formen gibt es
- Bei dieser Form des Zusammenlebens helfen die jungen Leute den alten und umgekehrt. Weitere Vorteile
- Unterschiedliche Menschen begegnen einander. Das birgt Konflikte. Mehr erfahren zu den Nachteilen
- Wenn man sich für ein Wohnen mit mehreren Generationen entscheidet, muss man einige Fragen klären. Wie lauten diese Fragen?
Die Mama kocht mit ihrer besten Freundin Martha in der Küche Spaghetti Bolognese, während die Grossmama mit dem kleinen David im Sandkasten spielt. Der Grossvater und sein Sohn reparieren ein Fahrrad in der Garage. Hendrik, der Nachbar von nebenan, deckt den Tisch im Gemeinschaftsraum der Wohnsiedlung. Die Mittagszeit naht und alle werden gemeinsam essen.
Was ist ein Mehrgenerationenhaus?
In Mehrgenerationenhäuser wohnen junge und alte Menschen gemeinsam. Sie stehen allen Menschen offen – unabhängig von Alter oder Herkunft. Jede Person hat eine eigene Wohnung. Die Wohnungen für ältere Bewohner sollten idealerweise altersgerecht und barrierefrei gebaut sein.
Bei einem Mehrgenerationenhaus handelt es sich nicht um ein Wohnhaus, sondern um eine Begegnungsstätte für verschiedene Generationen. Denn in einem Mehrgenerationenhaus gibt es Gemeinschaftsräume. Diese Räume sind lebendige Orte der Begegnung. Die Bewohner nutzen sie zum Beispiel für Veranstaltungen, Konzerte oder Festivitäten. Daneben gibt es häufig auch eine gemeinsame Küche mit einem Esszimmer, eine Bibliothek oder einen Garten. Diese Zimmer sind für jedermann zugänglich.
Welche Formen von Mehrgenerationenhäusern gibt es?
Die Formen des Generationenwohnens reichen von kleinen Mehrfamilienhäusern bis hin zu grossen Siedlungen mit vielen Familien.
Zum Beispiel kann das Erdgeschoss eines umgebauten Einfamilienhauses zu einer altersgerechten Wohnung für die Eltern umgebaut werden, wenn das Grundstück es zulässt. Die erwachsenen Kinder haben im ersten Stock ihr eigenes Apartment.
Wie viele Mehrgenerationenhäuser gibt es?
Es gibt Mehrgenerationenhäuser auch in Wohnsiedlungen. In der Schweiz wurden zahlreiche Projekte bereits realisiert. Die Siedlungen legen den Fokus auf die altersmässige Durchmischung ihrer Bewohnerinnen und Bewohner.
Beispiele für solche Wohnsiedlungen sind die «Giesserei» in Winterthur ZH, das Projekt «GeWo» in Burgdorf BE, das «Im Dorf» in Schenkon LU, «Erlenmatte Ost» in Basel oder das «Glasi» in Bülach ZH.
Ein Café, ein Spielplatz und ein Garten machen häufig das Herzstück der Siedlung aus.
Weitere Angebote in Mehrgenerationenhäusern:
- Mittagstische
- Krabbelgruppen und Kitas
- Kindergarten
- Spielplätze
- Coiffeursalons
- Fitnessräume
- Arztpraxen
- Weiterbildungskurse
Was sind die Vorteile von Mehrgenerationenhäusern?
In einem Mehrgenerationenhaus sind alle Mitglieder der Gemeinschaft ein integraler Bestandteil. Jede Person ist für die Erledigung von Aufgaben verantwortlich. Wichtige Dinge sollte man nicht allein entscheiden. Vertrauen ist eine wesentliche Voraussetzung für ein harmonisches Zusammenleben. Die Parteien sollten sich auch gegenüber anderen tolerant verhalten.
Weitere Vorteile:
Betreuung
Die Grosseltern übernehmen die Betreuung der Kinder – sofern sie das möchten. Die Enkel sind viel mit ihren Grosseltern zusammen.Die Eltern sparen Betreuungskosten für die Kindertagesstätte und die Krabbelgruppe.
Kontakt
Die Erwachsenenkinder stehen nun enger mit ihren Eltern in Kontakt. Sie widmen ihnen mehr Aufmerksamkeit.
Geteiltes Leid
Die Grosseltern teilen alle Sorgen und Ängste ihrer Kinder, ebenso wie deren Erfolge und Glücksmomente. Dies führt zu einer anderen Art von Bindung. Oftmals werden Enkel von ihren Grosseltern nur selten besucht und werden dann in diesen Momenten richtig verwöhnt. Wenn sie zusammenleben, erziehen sie sie mit mehr Fürsorge und weniger mit Verwöhnung.
Aufgaben verteilen
Jeder übernimmt eine Aufgabe. Ältere Menschen fühlen sich wertvoll und gebraucht. Sie sind Teil der Gemeinschaft und tragen aktiv zu deren Funktion bei, ohne ihre Eigenständigkeit zu verlieren.
Babysitten
Grosseltern fühlen sich nicht allein, da sie viel Zeit mit ihren Enkeln und ihren Kindern verbringen. Das verjüngt. (Mehr dazu finden Sie hier.)
Kontakte pflegen
Senioren pflegen ein nachbarschaftliches Verhältnis zu anderen Bewohnern und bauen dadurch ein soziales Netzwerk auf. Dadurch laufen sie weniger Gefahr, zu vereinsamen. (Weitere Informationen zum Thema Einsamkeit finden Sie hier.)
Sicherheit
Ältere Menschen können sich länger in ihren eigenen vier Wänden wohlfühlen. Gleichzeitig können sie sich in ihre Wohnung zurückziehen, wenn es ihnen zu viel wird.
Aufgaben delegieren
Eltern können Aufgaben wie den wöchentlichen Einkauf, die sie nur noch schwer selber erledigen können, an Jüngere übergeben.
Hilfe
Steigt der Unterstützungs- oder Pflegebedarf von Älteren, können Jüngere deren Pflege unter sich aufteilen und organisieren.
Kosten
Für ältere Menschen ist das Generationenwohnen eine kostengünstigere Alternative zum Leben in einer Einrichtung wie einem Altersheim.
Was sind die Nachteile?
Mehrgenerationenhäuser sind durchaus auch mit Nachteilen verbunden. Der Grund: Unterschiedliche Menschen treffen aufeinander. Das birgt Konflikte.
Weitere Gründe:
Die Bewohnerinnen und Bewohner:
- haben unterschiedliche Vorstellungen über Erziehung und/oder Sauberkeit.
- müssen ihre persönliche Freiheit für die Belange der Allgemeinheit opfern.
- müssen sich an klare Vorschriften und Verhaltensregeln halten.
- erleben es, dass die unterschiedlichen Generationen und Erfahrungen zu Reibungen führen.
Wohnen mit den Eltern – darauf müssen Sie achten
Die Grosseltern spielen in der Familie eine unersetzliche Rolle. Sie sind erfahren und haben Kinder bereits grossgezogen. Sie haben viel Zeit, um sich um die Enkel zu kümmern, und können im Haushalt eine grosse Hilfe sein.
Gleichzeitig verändert sich vieles, wenn die ihre Kinder Eltern werden. Die eigene Familie wird immer bedeutsamer, während die Älteren an Bedeutung verlieren.
Dauerbrenner Erziehung
Gerade das Thema Kindererziehung führt in Mehrgenerationenhäusern immer wieder zu Konflikten. Eltern mit Kindern, die älter werden, haben oft Schwierigkeiten, wenn die ältere Generation ihnen ungefragt Ratschläge gibt. Für ein friedliches Zusammenleben älterer mit jüngeren Menschen muss die Erwartung vieler Älterer an die heutige Erziehungskultur zunächst angepasst werden. Mehr zum Thema Konflikte bei Erziehungsfragen.
Extreme der Kindererziehung
- Grosseltern neigen dazu, ihre Enkel zu verwöhnen, was die Autorität und Erziehungsmethoden der Eltern untergraben kann.
- Die Grosseltern wünschen sich eine Erziehungsmethode, die dem entspricht, was sie selbst erlebt haben.
Das ist kein typisches Verhalten für alle Grosseltern. Einige Grosseltern sind jung und energiegeladen. Die Eltern nehmen die Erziehungsmethode ihrer Kinder nicht so ernst wie diese selbst. Dies kann zum Nachteil sein, wenn man in einem Mehrgenerationenhaus lebt. Man hat einen so aktiven Alltag, dass man weder Zeit noch Lust hat, auf die Enkel aufzupassen.
Je klarer die Rollenverteilung im Haushalt ist, desto besser. In Mehrgenerationenhäusern wird von jedem Einzelnen erwartet, dass er sich aktiv in die Gemeinschaft einbringt und sich als deren Teil versteht.
So sprechen Sie mit Ihren Eltern über Ihre Bedürfnisse:
Behalten Sie stets einen klaren Kopf. Emotionale Ausbrüche sind wenig hilfreich. Negativität beim Gegenüber führt zu Ablehnung und Rückzug. Erklären Sie Ihren Eltern, dass Sie gemeinsam an einem Strang ziehen. Eine stressefreie Familienatmosphäre ist nur durch die Teilnahme aller erreichbar. Sagen Sie Ihren Verwandten, was Sie wollen und was nicht. Frage deine Eltern wieder, was sie sich wünschen.
Sprechen Sie mit Ihren Eltern über die Aufgaben, die sie gemeinsam machen wollen. Je mehr Zeit und Aufwand die beteiligten Personen in die Planung investieren, desto geringer wird der individuelle Stress. Planen Sie Zeit für Unvorhergesehenes ein. Bei einer zu engen Planung können sich Einzelne schnell gehetzt fühlen. Binden Sie Ihre Kinder von Anfang an in den Alltag mit ein. Für sie ist es wichtig, die Hausarbeit und den Familienalltag von einer positiven Seite kennenzulernen. Ist die Mutter gestresst, während sie kocht, putzt und von einem Raum in den anderen hetzt, nehmen Kinder die Hausarbeit als etwas Negatives wahr. In der Folge wollen sie später nur ungern selbst helfen.
Mehrgenerationenwohnen: Das Richtige für Sie?
Egal, ob in einem Haus oder in einer Siedlung: Wer sich für das Mehrgenerationenwohnen entscheidet, sollte vorher wichtige Fragen klären.
- Mit wem wohnen Sie? Sind die anderen Bewohnerinnen und Bewohnern Ihnen bekannt? Besonders bei einem kleinen Einfamilienhaus mit zwei Wohnungen ist es sinnvoll, sich vorgängig kennenzulernen.
- Grösse: Möchten Sie lieber in einem Einfamilienhaus oder in einer grossen Wohnsiedlung mit vielen Parteien wohnen? Wo werden Ihre Bedürfnisse am besten gedeckt?
- Lage: Möchten Sie lieber zentral oder in der Nähe eines Waldes leben? Sind Ihnen nahe Einkaufmöglichkeiten wichtig? Ist der öffentliche Verkehr gut erschlossen?
- Kauf oder Miete: Möchten Sie ein Wohnobjekt kaufen oder mieten?
- Kosten: Welche Kosten fallen bei einem Neubau oder Umbau der Liegenschaft an? Was kosten der Unterhalt und die Sanierung? Wer im Haus bezahlt welche Kosten?
- Regeln: Gibt es eine Hausordnung und klare Regeln über die Pflichten und Verantwortungen aller Bewohnerinnen und Bewohner? Sind alle damit einverstanden?