Fitness

Wandern im Alter: Wann ist es gesund und wann sollte man es vermeiden?

Wandern ist eine hervorragende Aktivität, um körperliche und geistige Gesundheit zu fördern, besonders für Senioren. In unserem Gespräch geht Expertin Susan Mérillat von der Universität Zürich auf die vielfältigen Vorteile des Wanderns ein und wie sie Seniorinnen und Senioren am besten nutzen können.

Ein Seniorenpaar wandert den Hügel hoch.
Wandern im Alter ist gut fürs Herz und die Seele – zu zweit macht es sogar noch mehr Spass. © Halfpoint / iStock / Getty Images Plus

Wandern im Alter – das Wichtigste in Kürze: 

Wandern kann für Seniorinnen und Senioren sowohl körperlich als auch geistig gesundheitsfördernd sein. Dr. Susan Mérillat ist Leiterin von Forschungsgruppen am Forschungsschwerpunkt «Dynamik Gesunden Alterns» und am «Healthy Longevity Center» der Universität Zürich. Sie beantwortet im Interview wichtige Fragen zu den Themen: Warum ist Wandern gesund? Wie wirkt es sich auf Körper und Psyche aus? Und wann sollte man als ältere Person eine Wanderung besser vermeiden? Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie Sie das Wandern zu einem sicheren und bereichernden Bestandteil Ihres Lebens machen können.

Meineeltern.ch: «Jede Bewegung zählt» – betont die Weltgesundheitsorganisation bereits seit Jahren. Entsprechend empfiehlt sie auch älteren Menschen, jede Woche mindestens 150 bis 300 Minuten aktiv zu sein. Welche gesundheitlichen Vorteile bietet denn das Wandern speziell für Seniorinnen und Senioren?

Susan Mérillat: Wandern ist moderates Konditionstraining, das viele Organsysteme in unserem Körper positiv beeinflusst. Denn es stabilisiert das Herz-Kreislaufsystem, hält den Bewegungsapparat fit, stärkt die Muskeln und das Immunsystem und bremst die Hirnalterung. Darüber hinaus profitiert unsere psychische Gesundheit vom Wandern.

Kann Wandern helfen, den Alterungsprozess zu verlangsamen und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern?

Ausdauersportarten wie Wandern, Laufen, Nordic Walking und Velofahren können grundsätzlich zu einem langen Leben in guter Gesundheit beitragen.

Welche nennenswerten Vorteile gibt es für das Herz-Kreislaufsystem?

Regelmässiges Ausdauertraining führt zu einem höheren Blutvolumen. Ausserdem wird der Herzmuskel stärker – das Herz kann also mehr Blut durch den Körper pumpen. Das senkt den Puls in Ruhe, aber auch bei körperlicher Belastung. Ausserdem gibt es viele Anzeichen dafür, dass Ausdauertraining den Blutdruck senken kann – und das auch noch im hohen Erwachsenenalter. Durch das Wandern in den Bergen vermehren sich zudem die roten Blutkörperchen, sodass die Körperzellen besser mit Sauerstoff versorgt werden können. Auch die Organe profitieren, weil sie stärker durchblutet werden und mehr Nährstoffe erhalten. Studien zufolge wird das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall durch regelmässiges Ausdauertraining geringer.

Welche Muskeln sind beim Wandern besonders gefordert?

Besonders die Beinmuskeln sind im Einsatz – aber auch Fuss-, Arm- und Rumpfmuskeln müssen mitarbeiten. Wenn es bergauf und bergab geht, werden vor allem die Po- und Oberschenkelmuskeln gebraucht – bergab sogar noch stärker, weil wir unseren Körper abbremsen müssen. Die Muskelfasern, die im Alter vor allem von Muskelschwund betroffen sind, lassen sich dennoch am besten durch ein spezifisches Kraft- und Widerstandstraining stärken.

Oft führen die Wege über unterschiedliche Untergründe.

Ja, die Beschaffenheit des Terrains, einschliesslich Höhe, Stufen und Steinen, ändert sich ständig. Das fördert die Koordination, Trittsicherheit und Balance – und senkt das Sturzrisiko im Alter. Im Vergleich zum Spaziergang ist das Training in allen Bereichen – Ausdauer, Kraft, Balance und Koordination – intensiver.

Gibt es nachweisbare Effekte auf die Knochendichte von Senioren?

Die Knochendichte nimmt bereits ab dem jungen Erwachsenenalter ab. Zum Glück verlangsamt körperliche Aktivität den Abbau. Sie setzt Impulse, die die Knochenzellen zum Wachsen anregen. Bewegung, die wie beim Laufen durch den Bodenkontakt kurze schnelle Stösse verursacht, setzt grössere Impulse als Schwimmen oder Velofahren. Darüber hinaus wirkt beim Laufen das ganze Körpergewicht auf das Skelett ein, sodass die Knochen einem höheren Impuls ausgesetzt sind.

Welchen Einfluss hat Wandern auf das Gehirn?

Körperliche Aktivität wirkt sich grundsätzlich positiv auf das Gehirn aus – sowohl auf seine Struktur als auch auf die Funktion. Sie wirkt sozusagen neuroprotektiv, sie schützt also die Nervenzellen und Nervenfasern. So können wir länger die geistige Leistungsfähigkeit erhalten.

Die Planung einer Wandertour kann für ältere Menschen eine kleine Herausforderung sein.

Ja, aber selbst diese Vorbereitung trägt zur Fitness bei. Wer wandern will, muss sich auf der Karte orientieren, die Dauer der Wanderung einschätzen, An- und Abreise planen, den Rucksack packen, Proviant vorbereiten und das Wetter abfragen.

Je mehr sich Wandernde auf die Stöcke verlassen, desto weniger trainieren sie die Balance und Stabilität.

Inwieweit kann Wandern zur Verbesserung der Psyche und zur Verringerung von Altersdepressionen beitragen?

Verschiedene Studien zeigen, dass körperliche Bewegung wie Wandern das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärkt und somit das Selbstwertgefühl verbessert. Und der Aufenthalt in der Natur – das Licht, die Düfte, die intensiven Farben, die Ausblicke – lässt Stresshormone abbauen und verbessert die Stimmung. All das sind wichtige Komponenten für eine stabile psychische Gesundheit.

Was sind die Vorteile von Wandern im Vergleich zu anderen Sportarten für Senioren?

Wichtig finde ich gerade für Senioren, ein soziales Netzwerk und eine gute soziale Integration. Und Wandern kann man in Gesellschaft – das macht auch viel mehr Spass!

Ist es vorteilhaft, mit Stöcken zu wandern?

Das Wandern mit Stöcken ist dann besonders hilfreich, wenn man genau weiss, wie die Stöcke einzusetzen sind. Ich denke, viele Wandernde nutzen das Potential der Stöcke nicht richtig aus. Mit Stöcken zu wandern, hat mehrere Vorteile. Sie helfen den Beinmuskeln, Kraft zu sparen, wenn es bergauf geht, indem man sich auf die Stöcke stützt beziehungsweise sich an ihnen hochzieht. Und geht es bergab, entlasten die Stöcke die Kniegelenke und geben Stabilität und Halt.

Kann das Wandern mit Stöcken auch eine Kehrseite haben?

Je mehr sich Wandernde auf die Stöcke verlassen, desto weniger trainieren sie die Balance und Stabilität. Sinnvoll ist daher, wenn möglich, so oft wie möglich auf die Stöcke zu verzichten – zum Beispiel auf flacheren und leichteren Wegen.

Sollten Seniorinnen und Senioren mit bestimmten gesundheitlichen Problemen Wandern meiden und stattdessen alternative Formen der Bewegung in Betracht ziehen?

Viele ältere Menschen können gut wandern, auch wenn sie Einschränkungen haben. Im Zweifelsfall ist es sinnvoll, eine ärztliche Beurteilung einzuholen. Dies ist auch zu empfehlen, wenn eine Tour in grössere Höhenlagen geplant ist. Denn für den Körper, vor allem für unser Herz-Kreislaufsystem, ist ein Aufenthalt in grösseren Höhenlagen eine Belastung. Grundsätzlich ist Wandern aber eine Aktivität, deren Intensität sich leicht dosieren und an die persönlichen Gegebenheiten anpassen lässt. Wer weniger trainiert ist, läuft eine kürzere, flachere oder einfachere Strecke und legt mehr Pausen ein. Bergbahnen helfen, besonders anstrengende oder schwierige Wege auszusparen. Auch bei Schmerzerkrankungen, wie zum Beispiel Arthrose, kann Wandern unter ärztlicher Aufsicht und mit geeigneter Technik die Gelenkfunktion verbessern und schmerzlindernd wirken – dies ist wissenschaftlich nachgewiesen.

Zur Person

Im Blick lächelt Mérillat in die Kamera.
Susan Mérillat© zVg.

Susan Mérillat leitet Forschungsgruppen am Forschungsschwerpunkt «Dynamik Gesunden Alterns» und am «Healthy Longevity Center» der Universität Zürich. Sie wandert selbst sehr gern, besonders im Engadin, ein Hochtal im Kanton Graubünden.

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