«Schwiegermütter meinen es gut, überschreiten aber häufig Grenzen»
Schwiegermütter bereichern das Familienleben und können ein Segen sein. Sie betreuen die Kinder, wenn die Kita geschlossen hat, unterstützen, wenn ein Elternteil krank ist und sie spenden
beruhigende Worte wenn Eltern in Erziehungsfragen verunsichert sind. Doch sie können auch eine Paarbeziehung belasten. Sie scheinen häufig alles besser zu wissen, überhäufen die Enkel mit
Süssigkeiten und behandeln die Partnerin von oben herab. Dass dies leider nicht immer nur Klischees sind, weiss der Zürcher Psychotherapeut und Psychologe Felix Hof. Er gibt im Interview Tipps, wie man mit der Schwiegermutter wieder Frieden findet.
Eine Studie der Universität Turku in Finnland mit 1200 Paaren kommt
zum Schluss: Die Beziehung zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter verschlechtert sich mit der Geburt des Nachwuchs massiv. Wie erleben Sie das?
Das beobachte ich leider tagtäglich in meiner Praxis.
Viele Grosseltern wünschen sich Enkel. Mit der Geburt des Nachwuchses sollten doch gerade Schwiegermütter überglücklich sein.
Sind sie in der Regel auch. Schwiegermütter meinen es gut, überschreiten aber häufig Grenzen.
Sie haben von ihren eigenen erwachsenen Kindern Idealvorstellungen. Sie wissen genau, wie sich ihre Kindern entwickeln oder wie sie ihre Enkel erziehen sollten. Sie wissen auch, wie die optimale Partnerin
auszusehen hat. Diese Erwartungen werden aber in den wenigsten Fällen erfüllt. Die Schwiegermutter ist dann enttäuscht und sieht ihre Schwiegertochter möglicherweise sogar als Rivalin an.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Die Mutter möchte nicht, dass ihr Kind fernsieht oder Süssigkeiten nascht. Sobald sie das Haus verlässt, lässt die Grossmutter den Enkel fernsehen und Süsses essen. Die Schwiegermutter will vor ihrem Enkel gut dastehen, missachtet aber die Wünsche der Mutter. Das geht nicht. Zudem beginnt das Kind im Kopf zu polarisieren. Das Grossmami ist die liebe Person, das Mami die Böse. Mir fällt ein weiteres Beispiel aus meiner Praxis ein: Ein Paar ist mit den Eltern des Partners in die Ferien. Nach der Rückkehr überreichte die
Schwiegermutter der Schwiegertochter eine A4-Blatt. Auf diesem strukturierte sie, wie sie ihre Kinder erziehen muss. Das ist eine massive Grenzüberschreitung.
Wieso tun das Schwiegermütter?
Schwiegermütter haben ein anderes Wertesystem und andere Idealvorstellungen als ihre erwachsenen Kinder. Es gehört zu einem gesunden Ablösungsprozess, dass Mütter ihre Kinder nicht mehr als
kleine Kinder ansehen, sondern als Erwachsene anerkennen. Sie müssen lernen, dass sie als Erwachsene eigene Entscheidungen treffen und sie sich eigenständig weiterentwickeln. Sie müssen ein Grundvertrauen in ihre eigenen Kinder haben und ihre Wünsche ernst nehmen. Dazu gehört auch, den Partner oder die Partnerin zu respektieren.
Was raten Sie zu tun, wenn das nicht der Fall ist?
Wichtig ist, dass sie auf die Schwiegermutter zugehen und dass sie mit ihr sprechen. Sie sollte ihr sagen, was sie stört und verletzt. Wichtig ist auch, ihre Wünsche mitzuteilen. Sie sollten stets ruhig bleiben und auf einen liebevollen und mitfühlenden Umgang achten.
Und wenn das nichts nützt?
Die Eltern sollten in einem gemeinsamen Gespräch aufzeigen, wie verletzend ein bestimmtes Verhalten ist. Nützt ein Gespräch nichts, sollte man sich spätestens dann von den Schwiegereltern abgrenzen. Zum Beispiel in dem man nicht mehr zusammen in die Ferien geht.
Sorgt das nicht für weiteren Ärger?
Eine Lösung ist fast immer möglich, sofern alle Parteien offen sind für einen konstruktiven Dialog.
Findet man auch eine Lösung, wenn die Schwiegermutter besonders anspruchsvoll ist?
Ja, auch dann. Wichtig ist, dass beide Seiten offen sind und aufeinander zugehen. Man sollte die Schwiegermutter als einzigartig betrachten. Oft hilft es, wenn man eine Helikopter-Sicht einnimmt und
die Situation von oben betrachtet. Wenn die Schwiegermutter das nächste Mal ein Theater macht, holen Sie tief Luft und beobachten Sie das Geschehen auf eine positive Weise. Gehen Sie nicht in den Konflikt.
Wann empfehlen Sie, Hilfe zu holen?
Wenn man beim Gegenüber immer nur auf taube Ohren stösst, empfehle ich eine Beratung in Anspruch zu nehmen.
Welche Rolle kommt dem Partner zu?
Der Partner steckt meistens in einer Konfliktsituation. Er oder sie ist auf beiden Seiten involviert - als Kind und Lebenspartner. Es ist wichtig, dass er weiss, wo er hingehört. Primär gehört er in die
Partnerschaft und zur Partnerin. Wenn er aber Mühe hat, für die Partnerin und die Partnerschaft einzustehen, dann liegt in der Paarbeziehung etwas im Argen.
Zur Person
Felix Hof ist Psychotherapeut und Psychologe in Zürich. Zu seinen Fachgebieten gehört die Paar- und Familientherapie.