Finanzen

«Ältere sind für Firmen vielleicht auf den ersten Blick teurer, dafür kennen sie die Abkürzung»

Nach der Pensionierung beruflich nochmals durchstarten – das ermöglicht die Jobbörse seniors@work. Sie richtet sich ausschliesslich an 50plus-Fachkräfte sowie Seniorinnen und Senioren. Der Gründer Alexis Weil erklärt im Gespräch mit MeineEltern, warum ältere Menschen nach der Pensioneru arbeiten wollen und gibt Tipps, wie man im Alter erfolgreich einen Job findet.

Senioren haben einen grossen Erfahrungsschatz, von dem Firmen profitieren können.
Senioren haben einen grossen Erfahrungsschatz, von dem Firmen profitieren. © Geber86 / E+

MeineEltern: Herr Weil, nach 40 Jahren oder mehr im Arbeitsmarkt hat man sich den Ruhestand doch eigentlich redlich verdient. Warum wollen Senioren arbeiten?

Alexis Weil: Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen, dass die Mehrheit der älteren Menschen weiterarbeitet, weil sie daran Freude hat. So erging es auch meinem Vater. Er ist seit fünf Jahren pensioniert und bringt eine Menge Berufserfahrung mit. In einer Verlagsfirma war er früher für die Finanzen zuständig. Nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben war er noch voller Tatendrang und wünschte, sein Wissen weiterzugeben. Er war der Ansicht, dass er weiterarbeiten sollte.

Was arbeitet Ihr Vater jetzt?

Er ist mittlerweile 70 und unterstützt Firmen beim Jahresabschluss oder hilft Expats beim Ausfüllen ihrer Steuererklärungen. Ausserdem ist er Mentor zweier Wirtschaftsstudierenden, die er beim Schreiben an ihrer Masterarbeit unterstützt. Er konnte aber sogar eine neue Vollzeitstelle als Immobilien Consultant finden, da das Unternehmen spezifisch ältere Mitarbeiter wollte. Er ist sehr geschätzt, besonders die Studierenden schätzen sein Wissen.

Es gibt schon viele Jobbörsen für Senioren, wieso braucht es seniors@work?

Das stimmt. Es gibt bereits eine Vielzahl klassischer Jobbörsen. Sie sind jedoch nicht auf die Bedürfnisse der älteren Generation abgestimmt. Auf unserer Jobbörse finden Sie nur Bewerber, die in diesem Alter sind. Das ist für Ältere motivierend, sich als Kandidaten zur Verfügung zu stellen. Ausserdem gibt es bei uns nicht nur schnelle Mini-Jobs, sondern auch Teil- und Vollzeitjobs für Fachkräfte.

Wie ist die Nachfrage?

Wir haben mehr als 20 000 Bewerberinnen und Bewerber. Die Nachfrage ist sehr hoch. Die Plattform verzeichnete im November 2022 rund 2000 neue Mitglieder.

Was macht Ihre Plattform erfolgreich?

Auf unserer Plattform ist Alter kein Problem. Wir wollen nicht über Probleme reden, sondern Lebensenergie vermitteln und das Lächeln sowie die Erfahrung der älteren Generationen hervorheben. Wir haben die richtige Taktik gewählt: Auf unserer Plattform haben sich zum Beispiel rund 600 CEO’s als Kandidatinnen und Kandidaten angemeldet.

Sie möchten das Positive hervorheben. Doch wer lange Zeit keinen Job findet, dem fällt es schwer, Positivität zu zeigen. Was sagen Sie den Betroffenen?

Es ist nachvollziehbar, dass eine erfolglose Suche frustriert. Doch auf seniors@work muss man diesen Frust überwinden. Auf unserer Plattform sind grundsätzlich alle willkommen. Sie müssen jedoch bestimmte Bedingungen erfüllen.

Welche sind das?

Die Kandidatinnen und Kandidaten müssen 50plus sein. Seniors@work ist eine digitale Plattform. Jeder, der sich in der digitalen Welt nicht auskennt, hat es bei uns schwerer. Zusätzlich fallen für sie monatlich Mitgliedschaftsgebühren in Höhe von 10 Franken an.

Wo sehen Sie die Gesellschaft in 20 Jahren?

Ich denke, die Zielgruppe der Älteren wird sich ganz klar vergrössern und in der Gesellschaft eine hohe Bedeutung haben. Ich glaube, dass es mehr Produkte für diese Zielgruppe geben wird. Banken, Kundenportale, vieles wird auf die Bedürfnisse der älteren Generation zugeschnitten sein.

Aus welchen Branchen stammen Ihre Kandidatinnen und Kandidaten?

Das ist sehr breit gefächert, bei uns finden Sie Gärtnerinnen, Kinderbetreuer bis hin zu ehemaligen Geschäftsführern. Alle Branchen sind vertreten. Wir haben auch viele Fachkräfte aus der Finanz- und Baubranche. Sie sind besonders gefragt.

Wie viel müssen Firmen bezahlen, um Ihr Angebot zu nutzen?

Die Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten in der Profildatenbank ist kostenlos. Firmen, die Kandidatinnen und Kandidaten kontaktieren oder ein Inserat schalten möchten, zahlen neu Gebühren ab 49 Franken.

In der Schweiz sind ältere Arbeitnehmende gut in den Arbeitsmarkt integriert. Die Arbeitslosenquote ist bei den 50- bis 64-Jährigen in den vergangenen zwei Jahren von über 3 Prozent auf 1,9 Prozent gesunken. Dennoch ist es für Menschen über 50 nach einer Entlassung schwieriger als für junge Leute, eine neue Stelle zu finden. Wo sehen Sie die Gründe?

Noch immer gibt es viele Vorurteile gegenüber der älteren Generation. Ältere seien langsam und weniger flexibel. Studien zeigen jedoch: Ältere sind vielleicht nicht ganz so schnell, dafür kennen sie die Abkürzung. Ihr Erfahrungsschatz ist ein grosser Mehrwert für Unternehmen. Das ist in der Gesellschaft noch nicht angekommen.

Länder wie Japan setzen auf die Arbeitskraft von Rentnerinnen und Rentnern, um den Arbeitskräftemangel und der Altersarmut entgegenzuwirken. Hinkt die Schweiz hinterher?

Definitiv. Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Viele Junge glauben, wenn sie Instagram genügend kennen, dann haben sie alles im Griff. Doch in unserer Gesellschaft braucht es auch andere Skills. Wie baut man ein Unternehmen auf? Sozialkompetenz, Mitarbeiter führen, wie bringt man Menschen zusammen: Das lernt man nicht auf Instagram. Dazu braucht man Erfahrung.

Um den Lebensstandard im Alter zu sichern, sind zweite und dritte Säule entscheidend. Da haben viele Frauen gravierende Lücken. Viele waren ihr Leben lang Hausfrau und haben die Kinder betreut. Welche Chancen haben sie auf seniors@work?

Sehr gute. Wir haben viele Frauen, die zum Beispiel andere Familien unterstützen, Kinder oder ältere Menschen betreuen, kochen und beim Aufräumen helfen.

Wie können Senioren ihre Anstellungschancen auf seniors@work erhöhen?

Ein ansprechendes Profilbild ist unerlässlich. Denn ein Foto kann Vertrauen schaffen und darüber entscheiden, ob man das Gegenüber sympathisch findet. Zudem ist es wichtig, sich in einem kurzen Text vorzustellen. Darin ist zum Beispiel festgehalten, was man konkret sucht und was man kann. Man sollte aber realistisch bleiben. Das, was man vor 60 Jahren in der Schule gelernt hat, ist nicht mehr relevant.

Zur Person:

Alexis Weil
Alexis Weil © zVg.

Alexis Weil, 32 Jahre, stammt aus Basel. 2019 hat er mit seinem Vater Ralph die Plattform seniors@work ins Leben gerufen. Alexis Weil hat den Studiengang Master Finance und Accounting an der Universität St. Gallen studiert. Zu seinen Hobbies zählen Fussball, Schach, Bücher lesen und reisen.

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