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Erbschaftsstreit unter Geschwistern: So vermeiden Sie Zwist

In der Regel läuft es bei der Lösung von Erbstreitigkeiten auf Problemen hinaus. Bei der Erbteilung können alte Wunden wieder aufgerissen und lange schwelende Konflikte wieder aufflammen. Die Auseinandersetzung um den Nachlass zerstört häufig die Beziehungen zwischen Geschwistern. Ein Jahre andauernder Erbschaftsstreit kostet jedoch Nerven und viel Geld. Ein unmissverständliches Testament zu verfassen, ist eine effektive Methode, Konflikte zu vermeiden.

Wenn Schwester und Bruder sich ums Erbe streiten, herrscht häufig Eiszeit.
Ein Erbschaftsstreit kann Geschwister entzweien. © kazuma seki / iStock / Getty Images Plus

Erbschaftsstreit unter Geschwistern – das Wichtigste in Kürze

Ilona Meyer ist erfolgreiche Unternehmerin. Sie lebt mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern in einem Haus. Ihr jüngerer Bruder Robert arbeitet als Coiffeur. Von seiner Frau lebt er getrennt. Mit seinem Sohn wohnt Robert in einer 3,5-Zimmerwohnung. Das Geld ist immer knapp.

Die Geschwister haben sich immer gut verstanden – bis die Eltern sterben. Laut Testament soll Robert das Elternhaus erben. Weil er unter schwierigen Umständen lebe, dürfe er dort leben, heisst es im Testament.

Ilona ist schockiert. Robert – das Nesthäkchen der Familie – werde wieder mal bevorzugt behandelt, findet sie. Sie will, dass das Haus verkauft wird und der Erlös unter den Geschwistern aufgeteilt wird. Das Verhältnis zwischen den Geschwistern kühlt deutlich ab.

Erbschaftsstreit: Warum sich Geschwister streiten

Die Gründe für einen Erbschaftsstreit zwischen Geschwistern sind vielfältig. Daniel Abt, Fachanwalt SAV Erbrecht aus Basel, sagt: «Häufig streiten sich Geschwister, wenn sich die eine Seite ungerecht behandelt fühlt. Meistens gab es zwischen ihnen aber schon zu Lebzeiten der Eltern Probleme. Die Erbsituation bringt diese Probleme zu Tage.»

Weitere Gründe:

  • Kein Testament vorhanden
    Fehlt ein Testament kommt die gesetzliche Erbfolge zum Zug. Es kann sein, dass auch Personen nach einer bestimmten Erbquote erben, die nach Meinung der anderen Erben kein Anrecht auf einen Anteil der Erbschaft haben. Die Parteien geraten in einen Zwist.
  • Testament bietet Raum für Interpretationen
    Das Testament ist unklar geschrieben. Zum Beispiel: «Mein Sohn soll den grössten Teil des Geldes erhalten.» Wie viel von den insgesamt 800 000 Franken er erhalten soll, lässt das Testament offen. Ein Erbe fühlt sich dadurch übergangen und möchte das Testament anfechten.
  • Im Testament fehlen Angaben
    Das Testament weist Formfehler auf. Zum Beispiel fehlt im eigenhändig geschriebenen Testament das Datum oder die Unterschrift.
  • Den Nachlass verteilen
    Häufig ist sich die Erbengemeinschaft uneinig darüber, wie der Nachlass verteilt werden soll. Ein Haus ist schwieriger zu verteilen als Wertschriften oder Bargeld. Die administrativen Aufgaben können einem zudem schnell zu viel werden. Zwischen den Parteien kommt es zu Meinungsverschiedenheiten.
  • Angehörige melden sich
    Ein Angehöriger schaltet sich ein und sagt, dass er auch Ansprüche auf einen Erbteil habe. Er will seinen Anspruch durchsetzen. Es kommt zwischen den Erben zum Streit.
  • Demenz
    Ein Angehöriger stellt sich auf den Standpunkt, dass die Erblasserin oder der Erblasser dement gewesen sei und das Testament deshalb nicht gültig sei.
  • Ein Erbe will Geld sehen
    Ein Erbe will, dass sein Erbteil ausbezahlt wird. Die Beteiligten können sich aber nicht über die Höhe der Abfindung einigen. Es kommt zu Streitigkeiten.
  • Gefälschtes Testament
    Sieht sich eine Partei im Nachteil oder vermutet sie, dass das Testament gefälscht ist, möchte sie das Testament anfechten.

Wie kann man einen Erbschaftsstreit vermeiden?

Streit unter Geschwistern muss nicht sein. Eltern können mit einem wasserdichten und gültigen Testament dafür sorgen, dass ihr letzter Wille unmissverständlich zum Ausdruck kommt. Häufig kommt es wegen lebzeitigen Zuwendungen oder Ausgleichsfragen zum Streit. Experte Daniel Abt sagt dazu: «Zum Beispiel überschreibt der Vater dem Kind zu Lebzeiten ein Haus. Nach seinem Tod streiten sich die Erben darüber, zu welchem Preis das Haus aufgeteilt werden soll.»

Eine Anwältin oder ein Anwalt kann Eltern helfen. Sie erklären, wer laut Gesetz wie viel vom Nachlass erhält. Sie können auch sagen, wo es Streitpotenzial gibt und wie man ein Testament korrekt verfasst. Die Beratung bei einer Anwältin oder einem Anwalt kostet – doch oftmals ist es ein gut investiertes Geld.

Es gibt andere Anlaufstellen, wo man kostenlos Rechtsauskunft erhält. Eine kostenlose Rechtsauskunft ersetzt zwar keine anwaltliche Rechtsberatung, kann aber für das weitere Vorgehen hilfreich sein und dazu beisteuern, einen ersten Überblick zu verschaffen.

Anlaufstellen

  • In vielen Kantonen gibt es kostenlose Beratungsstellen. Eine Übersicht finden Sie hier.
  • Auch Gemeinde oder Städte bieten Rechtsauskünfte an. Fragen Sie am besten bei Ihrer Gemeinde nach.
  • Das Schweizerische Rote Kreuz des Kantons Zürich bietet kostenlose Beratungen an. Laut Webseite beträgt die aktuelle Wartezeit momentan einen Monat (Stand Mai 2022).
  • Pro Senectute berät bei Fragen rund um das Erbrecht.  Weitere Informationen gibt es hier.
  • Banken bieten auch Beratungen an. Sie sind meist kostenpflichtig. Beispiele: Die Bank Cler und die Raiffeisen verrechnen pro Beratungsstunde rund 220 Franken.

Wer kann bei einem Erbschaftsstreit helfen?

Kommt es trotz aller guten Vorbereitungen zum Streit, kann es sich lohnen, eine Mediatorin oder einen Mediator einzuschalten. Sie führen mit allen Beteiligten Gespräche und zwischen ihnen vermitteln.  Auf der Webseite des Schweizerischen Dachverbandes Mediation findet man Mediatorinnen und Mediatoren.

Die Parteien können sich auch an einen Friedensrichter wenden, wobei hierfür fachmännisch anwaltliche Beratung empfohlen wird. Der Friedensrichter soll teure Gerichtsverfahren verhindern, indem er versucht, Kompromisse zu finden und zwischen den Parteien zu schlichten. Friedensrichter gibt es in jedem Kanton. Die Gebühren fallen je nach Kanton unterschiedlich aus. Im Kanton Zürich muss man gemäss dem Verband der Friedensrichter und Friedensrichterinnen bei einem Streitwert über 100 000 Franken mit Gebühren bis zu 1240 Franken rechnen.

Können sich die Parteien auch mit Hilfe eines Friedensrichters nicht einigen, müssen sie vor das Gericht und den Nachlass gerichtlich regeln lassen. Fachmann Daniel Abt sagt: «Der Gang vor das Gericht ist oft heilsam. Richter lesen den Parteien die Leviten. Sie zeigen auf, welche Prozesskosten auf sie zukommen. Das rüttelt viele wach und sie entscheiden sich früher oder später im Verfahren doch noch für eine einvernehmliche Lösung.»

Wie teuer ist ein Erbschaftsstreit?

Der Gang vor das Gericht kostet jedoch viel Geld. Wer die Kosten übernimmt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Wer den Prozess verliert, muss in der Regel auch für die Auslagen der anderen Partei aufkommen. Klar ist: Wird vor Gericht um viel Geld gestritten, kommen schnell sehr hohe Summen zusammen. Denn die Höhe der Kosten richtet sich nach dem Streitwert.

Die Parteien müssen dem Gericht auch einen Prozesskostenvorschuss bezahlen. Streitet die Erbengemeinschaft zum Beispiel über ein Haus im Wert von zwei Millionen Franken, beläuft sich die ordentliche Gerichtsgebühr im Kanton Zürich auf rund 41 000 Franken, der Vorschuss beträgt rund ein bis zwei Drittel davon.

Mit Prozesskostenrechnern kann man ausrechnen, was ein Prozess kostet. Der Kanton Zürich zum Beispiel bietet ein solches Berechnungsprogramm an. Der Rechner gibt zwar keine exakte Prognose über die zu erwartenden Kosten. Man erfährt im Programm aber die Faktoren, welche bei der Festlegung der Gerichtsgebühren und Prozessentschädigung eine Rolle spielen.

Zu den Gebühren kommen Anwaltskosten. Die Kosten der Anwältin oder des Anwalts richten sich nach dem Streitwert. Manchmal verrechnen die Anwältinnen und Anwälte auch den üblichen Stundenansatz. Klären Sie das am besten in einem Gespräch, welche Kosten Sie erwarten.

Wie lange dauert ein Erbstreit?

Wie lange ein Erbschaftsstreit dauert, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Findet man trotz Friedensrichter und Mediator keine Lösung, und kann auch das Gericht nicht weiterhelfen, können sich die Parteien noch Jahre lang streiten. Ein Jahre andauernder Erbschaftsstreit kann die Partien zermürben und psychisch sehr anstrengen. Fachanwalt Daniel Abt sagt: «Ich empfehle den Parteien darum immer, sich um eine friedliche Lösung zu bemühen, solange eine solche möglich erscheint.»

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