Zusammenleben

Trennung im Alter: Befreiungsschlag oder grösster Fehler?

Auch nach Jahrzehnten des Zusammenseins ist die Bilanz für manche Paare nicht zufriedenstellend. Unausgesprochene Konflikte und ungelöste Verletzungen können die einstige Liebe überschatten. Doch heutzutage sind immer mehr ältere Menschen bereit, die Konsequenzen zu ziehen – unabhängig von ihrem fortgeschrittenen Alter. Sie trennen sich. Was sind die Gründe? Welche Risiken birgt eine Trennung im Alter? Mit welchen Konsequenzen muss man rechnen? Erfahren Sie mehr in diesem Artikel.

Ein älteres Ehepaar sitzt auf einer Parkbank.
Wenn im Alter eine Trennung bevorsteht, bringt das grosse Veränderungen mit sich. © FredFroese / iStock / Getty Images Plus

Trennung im Alter – das Wichtigste in Kürze:

Die Nachricht von der Scheidung des bekannten Paares Bill Gates, 65, und Melinda Gates, 56, nach 27 Jahren Ehe hat die Welt überrascht. Als einflussreiches Power-Paar verkörperten sie bisher eheliche Stabilität und Langlebigkeit. Gemeinsam haben sie nicht nur drei Kinder grossgezogen, sondern auch die grösste gemeinnützige Stiftung der Welt, die Bill & Melinda Gates Foundation, gegründet und geleitet. Diese Stiftung hat seit ihrer Gründung über 54 Milliarden Dollar an Zuwendungen verteilt.

Obwohl wir nicht alle Gründe für die Entscheidung der Gates' kennen, sind sie keineswegs die Einzigen, die sich nach langjähriger Zusammenarbeit für eine Trennung entscheiden.

Eine Studie der Bowling Green State Universität in Ohio, USA, hat ergeben, dass mehr als ein Viertel der Menschen, die sich scheiden lassen, über 50 Jahre alt sind. Mehr als die Hälfte dieser Scheidungen findet nach 20 Jahren Ehe statt. Diese Ergebnisse wurden im renommierten Fachmagazin «The Journals of Gerontology» veröffentlicht.

Trennung im Alter: Das sind verbreitete Gründe, sich zu trennen

Die Gründe, warum Paare sich trennen, können im Alter sehr unterschiedlich sein. Nadia Brady, Paartherapeutin mit einer Praxis in Chur GR und Zürich, erlebt vor allem Paare, die folgende Gründe haben:

In Konflikten verstrickt

Manche Paare sind über Jahrzehnte in bestimmten Themen mit unterschiedlichen, unerfüllten Bedürfnissen verfangen und frustriert. «Sie glauben nicht daran, die Konflikte noch lösen zu können. Sie sind müde und wollen sich den Diskussionen und den damit verbundenen Emotionen nicht mehr aussetzen», sagt Nathalie Brady.

Fehlende Gemeinsamkeiten

«Ich kann mir nicht vorstellen, mit meinem Ehepartner noch weitere 15 Jahre zusammenzubleiben, weil wir eigentlich überhaupt keine Gemeinsamkeiten mehr haben.» Diesen Satz hört Nathalie Brady immer wieder in ihrem Berufsalltag auch von Paaren, die bereits 30 oder 40 Jahre zusammen sind.

Fehlende Leidenschaft

Sexualität ist für viele Menschen auch im Alter ein wichtiges Thema. Nathalie Brady: «Leidenschaft geht über die Jahre oft verloren und die Lust auf liebevolle Zärtlichkeit fehlt immer öfter.»

Wunsch nach Zärtlichkeit und Liebe

«Auch wenn ich eine ältere Person bin – ich hätte gerne noch mal eine liebevolle Beziehung!», auch auf diese Weise wird der Wunsch nach einer Trennung und einem Neuanfang benannt.

Trennung im Alter ohne Scheidung: Geht das?

Niemand ist verpflichtet, sich scheiden zu lassen. Manche Paare sind besorgt über die Kosten einer Scheidung oder wollen, dass Verträge für Versicherungen und Darlehen bestehen bleiben. Diese Paare haben die Möglichkeit, sich aussergerichtlich oder gerichtlich trennen zu lassen.

Eine aussergerichtliche Trennung ist dann möglich, wenn die ehemaligen Partner sich nach wie vor vertrauen und miteinander Lösungen besprechen können. Für diesen Fall klären sie ihre Themen in einer sogenannten Getrenntlebensvereinbarung. Spätere Änderungen sind möglich. Bei einer gerichtlichen Trennung können dagegen auch staatliche Alimenteninkassohilfen, Alimentenbevorschussungen und höhere Einzelrenten in Anspruch genommen werden.

Trennung mit 70 Jahren – macht das Sinn?

Ein Neuanfang ist in jedem Alter möglich. «In den vergangenen acht oder neun Jahren erlebe ich vermehrt ältere Paare, die zur Paartherapie kommen, das Ergebnis aber offenhalten möchten», berichtet Nathalie Brady. Wenn ihre Probleme nicht gelöst werden, sind sie bereit, auseinanderzugehen – auch wenn sie schon 30 oder 40 Jahre zusammen waren. «Mir scheinen ältere Menschen heute oft etwas fitter und gesünder als früher zu sein», so Nathalie Bradys Einschätzung. «Sie wollen noch was vom Leben.»

Trennung im Alter und plötzlich allein: Das sind die Konsequenzen

Eine Trennung ist für eine Person dann schwierig, wenn sie sie nicht wollte. «Das kann sehr bitter sein – vor allem, wenn die Beziehung schon lange einen Durchhalte-Charakter hatte», sagt Nathalie Brady.

«Mir hat mal eine Frau gesagt, die Trennung erscheine ihr wie eine Rechnung für eine Lebenslüge.» Die Trauer um die verlorene Zeit ist dann besonders stark ausgeprägt. Die Paartherapeutin hat Fälle in Erinnerung, in denen sich eine Person neu verliebt hat, die andere allein zurückblieb – mit starken Ängsten. Was mache ich denn jetzt? Finde ich noch mal einen neuen Partner oder eine neue Partnerin?  Diese Fragen können existenzielle Ängste hervorrufen.

Trotzdem ermöglicht eine Trennung im Alter auch älteren Menschen, sich auf ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Interessen zu konzentrieren. Sie können ihre eigenen Entscheidungen treffen und ein Leben führen, das ihren individuellen Vorlieben und Zielen entspricht.

Eine Trennung stellt ältere Menschen vor neue Herausforderungen, die wiederum zu persönlichem Wachstum und zur Entwicklung neuer Fähigkeiten führen können. In dieser Phase können sie ihre Stärken entdecken, ihre Widerstandsfähigkeit stärken und neue Wege finden, um mit den Veränderungen umzugehen. Ferner vermittelt eine Trennung älteren Menschen ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit. Sie können ihre eigenen Entscheidungen treffen und ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten, ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Dies kann zu einem Gefühl der Befreiung und des Selbstvertrauens führen.

Eine Trennung kann auch als Chance betrachtet werden, ein neues Kapitel im Leben zu beginnen. Ältere Menschen haben die Möglichkeit, neue Ziele zu setzen, neue Hobbys zu entdecken, Reisen zu unternehmen oder sich neuen Projekten und Aufgaben zu widmen. Es ist eine Zeit des Neuanfangs und der Selbstreflexion, in der sie ihr Leben auf neue Weise gestalten können.

Trennung verarbeiten: Schmerz lass nach!

Wer eine Trennung erlebt, benötigt vor allem Unterstützung. Diese kann von einem Freund, einer Nachbarin, einem Bruder oder einer Kollegin kommen. Ein offenes Ohr ist besonders in der Anfangszeit von grosser Bedeutung. «Wer Menschen um sich herum hat, die Mut zusprechen, fühlt sich weiterhin vom Leben angenommen», so Nathalie Brady. Professionelle Hilfe durch Therapeuten oder Trauerbegleiter können bei der Trauerbewältigung und der Suche nach einem neuen Sinn im Leben helfen. Dadurch wird das Umfeld entlastet und kann beistehen.

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© meineeltern.ch

Trennung trotz Liebe?

Es gibt Belastungen, die so schwerwiegend sind, dass Paare sich trennen möchten, obwohl sie sich sehr verbunden fühlen. Bei der Lösung von Konflikten zwischen Paaren entstehen häufig neue Verletzungen und sie werden müde. In einer Paartherapie kann man herausfinden, ob eine Trennung der richtige Weg ist. Natalie Brady: «Manche Paare kommen in die Therapie, um eine respektvolle Trennung zu vollziehen. In der Begleitung finden sie manchmal neue Wege, um ihre Probleme zu lösen, und entscheiden sich dann doch, zusammenzubleiben.»

Trennung im Alter: Wie sieht es mit dem Unterhalt aus?

Bei einer Scheidung werden die während der Ehe erzielten gemeinsamen Einkünfte geteilt, während bei einer Trennung hingegen keine solche Aufteilung stattfindet. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf die finanzielle Situation der ehemaligen Ehepartner. Insbesondere in Bezug auf den Unterhalt und die Rentenansprüche ergeben sich bedeutende Unterschiede.

Nach einer Scheidung müssen die früheren Eheleute selbst für ihren Unterhalt aufkommen. Die während der Ehe erzielten gemeinsamen Einkünfte werden gerecht aufgeteilt. Dies betrifft nicht nur das Vermögen, sondern auch die Rentenansprüche. Die Rentenberechnung erfolgt nach der Scheidung wieder individuell für jeden Partner. Somit erhält jeder seine eigenen Rentenansprüche, die auf seinen individuellen Beitrag basieren. Es ist wichtig zu beachten, dass eine einfache Trennung hingegen keinen Einfluss auf die Rentenberechnung und den Rentenbetrag hat.

Nach wie vor sind es oft Frauen, die während der Ehezeit ihre Erwerbstätigkeit reduzieren oder ihre Karriere unterbrechen, um sich um Familie und Kinder zu kümmern. Dies kann zu erheblichen finanziellen Nachteilen führen. Frauen haben aufgrund dieser Entscheidungen oft weniger Berufserfahrung, niedrigere Einkommen und geringere Altersvorsorgeansprüche als ihre männlichen Ehepartner. Dies kann insbesondere im Alter zu finanziellen Schwierigkeiten führen.

Um detailliertere Informationen darüber zu erhalten, wie sich eine Trennung auf das AHV-Konto auswirkt, empfiehlt es sich, die Website der eidgenössischen Ausgleichskasse (EAK) zu besuchen. Dort finden Sie umfassende Informationen über die Auswirkungen einer Trennung auf die Rentenansprüche und erhalten nützliche Ratschläge, wie Sie Ihre finanzielle Zukunft besser absichern können.

Eine bewusste Auseinandersetzung mit den finanziellen Aspekten einer Trennung oder Scheidung ist von grosser Bedeutung, um mögliche finanzielle Nachteile zu minimieren und eine solide finanzielle Basis für die Zukunft zu schaffen.

Wie bleibt eine Ehe glücklich?

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Eine glückliche Ehe bedeutet Arbeit. © Pexels
  • Kommunikation und Konfliktlösung sind die Grundlagen für eine glückliche Ehe. Laut Studien ist es wichtig, offen, respektvoll und einfühlsam zu kommunizieren. Konflikte sollten konstruktiv und durch Kompromisse gelöst werden.
  • Paare, die regelmässig Zeit miteinander verbringen, sind glücklicher. Das können gemeinsame Hobbys, Reisen oder einfach nur Quality-Time sein.
  • Laut Forschungsergebnissen führt regelmässige Wertschätzung und Dankbarkeit füreinander zu mehr Zufriedenheit in der Ehe. Gesten der Wertschätzung und Dankbarkeit können viel bewirken.
  • Emotionale Unterstützung ist ein wichtiger Faktor für eine glückliche Ehe. Laut Studien sind Paare, die sich gegenseitig unterstützen, sicherer und zufriedener in ihrer Beziehung.
  • Intimität und Sexualität sind wichtige Aspekte einer glücklichen Ehe. Studien haben ergeben, dass regelmässiger und qualitativ hochwertiger Sex die Bindung und das Glücksempfinden in einer Partnerschaft stärken kann.
  • Paare, die ähnliche Werte und Ziele teilen, sind glücklicher in ihrer Ehe. Es ist wichtig, regelmässig über gemeinsame Pläne und Ziele zu sprechen und diese gemeinsam zu verfolgen.
  • Stress kann sich negativ auf die Ehe auswirken. Paare, die Strategien zur Stressbewältigung entwickeln, sind besser in der Lage, schwierige Zeiten zu überstehen und ihre Beziehung aufrechtzuerhalten.
  • Vergebung und Versöhnung sind ein wichtiger Bestandteil einer glücklichen Beziehung. Die Fähigkeit, Fehler zu verzeihen und sich zu versöhnen, führt zu einer tieferen Bindung und einem höheren Mass an Zufriedenheit in der Partnerschaft.

Jede Ehe ist einzigartig. Es gibt keine Formel für das Glücklichbleiben. Diese Tipps basieren jedoch auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und können als Leitfaden für die Verbesserung der Qualität und Zufriedenheit in einer Ehe dienen.

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