Zusammenleben

Umgang mit Demenzkranken: Tipps, damit das Zusammenleben gelingt 

Menschen mit Demenz benötigen eine klare Alltagsstruktur und sollten in täglichen Aktivitäten und Entscheidungen einbezogen werden. Eine richtige Kommunikation ist essenziell, wobei Blickkontakt, klare Ansprachen und aktives Zuhören hilfreich sind.  Betroffene durchlaufen typischerweise drei Stadien mit unterschiedlichen Symptomen. Emotionale Wahrnehmung nimmt im Krankheitsverlauf zu. Alternative Beruhigungsmethoden sind oft effektiver als Medikamente. Ihre zeitliche Orientierung ist beeinträchtigt und das Verhalten kann abends herausfordernd sein. Die Weglauftendenz stellt eine besondere Herausforderung dar, wobei das Erkennen von Triggerpunkten und ein strukturierter Tagesablauf helfen können.

 Berührung ist gerade für demente Personen wichtig.
Berührungen sind für Demenzerkrankte wichtig, da sie eine direkte emotionale Verbindung schaffen. © Kindel Media / Pexels

Umgang mit Demenzkranken – das Wichtigste in Kürze: 

Wer an Demenz leidet, verliert schrittweise das Gefühl für Raum und Zeit sowie persönliche Erinnerungen. Dabei entwickelt sich eine individuelle Wahrnehmung, die Betroffene häufig nicht verbalisieren können, da ihnen die richtigen Worte fehlen. Dies stellt Angehörige vor die komplexe Herausforderung, die Gefühle und Gedanken des Erkrankten aus dessen Verhalten zu interpretieren. Was also können Familienangehörige tun? 

Umgang mit Demenzkranken zu Hause

Menschen mit Demenz profitieren besonders von einer klaren Alltagsstruktur, die durch Ritualen und gewohnten Abläufen geprägt ist. «Es ist essenziell, sie in täglichen Aktivitäten und Entscheidungen einzubeziehen und diese Beteiligung so lange wie möglich aufrechtzuerhalten», betont Jacqueline Wettstein Leiterin Kommunikation und Fundraising bei Alzheimer Schweiz.

Umgang mit Demenzkranken: Verhaltenstipps für Angehörige

Jacqueline Wettstein nennt folgende Tipps, die bei der Kommunikation hilfreich sind:

  • Blickkontakt herstellen
  • sich vor die Person stellen und sich auf gleicher Höhe begegnen
  • räumliche Nähe zur erkrankten Person suchen
  • die Person mit ihrem Namen ansprechen
  • langsam und deutlich sprechen
  • einfache, konkrete Worte und kurze Sätze verwenden
  • Worte durch Gesten und Berührung ergänzen
  • nur eine Mitteilung oder eine Botschaft auf einmal mitteilen
  • klare, einfache Anweisungen geben; auf Erklärungen oder gut gemeintes Zureden verzichten
  • Aussagen und Haltungen nicht korrigieren, sondern bestätigen – dies vermittelt Sicherheit
  • die Person auch berühren. Diese nonverbale Kommunikation wird umso wichtiger, je weiter die Krankheit fortschreitet.
  • Aktives Zuhören praktizieren und dem Betroffenen das Gefühl geben, verstanden zu werden.
  • Ablenkungen minimieren, beispielsweise Radio oder Fernseher ausschalten, wenn man sich unterhält.
    Offene Fragen vermeiden; stattdessen konkrete Wahlmöglichkeiten anbieten.
  • Geduld zeigen und der Person genügend Zeit lassen, um zu antworten oder eine Aktion durchzuführen.
  • Wiederholung kann hilfreich sein, da Demenzerkrankte oft Schwierigkeiten haben, Informationen zu behalten.
  • Positives Feedback geben, um das Selbstwertgefühl der erkrankten Person zu stärken.

Warum sind Berührungen für demente Personen wichtig? 

Berührungen sind für Demenzerkrankte wichtig, da sie eine direkte emotionale Verbindung schaffen, wenn verbale Kommunikation eingeschränkt ist. Sie können Beruhigung bieten, Sicherheit vermitteln und die Bindung zwischen dem Erkrankten und der pflegenden oder betreuenden Person stärken. Zudem können gezielte Berührungen die Orientierung unterstützen und dem Betroffenen helfen, sich in seiner Umgebung besser zurechtzufinden.

Umgang mit Demenzkranken: Was sollte man vermeiden?

«Es empfiehlt sich, Erkrankten nicht zu widersprechen, weil deren Wahrnehmung sich von der eigenen unterscheidet», sagt Jacqueline Wettstein. Auch sollten keine Versprechungen gemacht werden: «Kann man Versprechungen nicht einhalten, verliert das Gegenüber das Vertrauen.»

Umgang mit Demenzkranken: immer die Wahrheit sagen? 

Menschen mit Demenz haben aufgrund von Gehirnveränderungen oft eine andere Wahrnehmung als andere. Im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit können sie sich oft nur auf ihre eigene Perspektive konzentrieren. Diese Wahrnehmung ist jedoch nicht weniger gültig, sie ist einfach anders. Trotz unterschiedlicher Meinungen sind sie fest von ihrer Realität überzeugt. Jacqueline Wettstein betont, dass es wichtig sei, verschiedene Sichtweisen zu akzeptieren und ihnen Raum zu geben. 

Die drei Stadien der Demenz und ihre Symptome

Im Anfangsstadium merkt die erkrankte Person häufig nicht, dass etwas nicht mehr stimmt. «Es sind vorwiegend die Angehörigen und das Umfeld, die Veränderungen feststellen», erklärt Jacqueline Wettstein. Demenz durchläuft typischerweise drei Stadien: das Früh-, Mittel- und Spätstadium. Im Frühstadium zeigen sich meist subtile Anzeichen wie leichte Vergesslichkeit, Schwierigkeiten bei der Planung oder Probleme bei der Orientierung. Das Mittelstadium ist durch ausgeprägtere kognitive Einschränkungen gekennzeichnet, wobei tägliche Aktivitäten und soziale Interaktionen zunehmend herausfordernd werden. Das Spätstadium ist oft durch einen erheblichen Gedächtnisverlust, eine eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit und Abhängigkeit von Pflege gekennzeichnet. 

Umgang mit Demenzkranken: Wie denken Betroffene?

Die Denkprozesse von Menschen mit Demenz sind schwer nachzuvollziehen. Es steht jedoch fest, dass logisches Denken für sie mit fortschreitender Krankheit immer anspruchsvoller wird. Jacqueline Wettstein merkt an: «Im Gegenzug dazu steigt die emotionale Wahrnehmung im Verlauf der Krankheit. Demenzkranke nehmen viele Gefühle intensiv wahr, sind jedoch häufig nicht mehr in der Lage, diese verbal auszudrücken.» Dieses tiefe emotionale Erleben, gepaart mit der Schwierigkeit, sich auszudrücken, kann zu intensiven Reaktionen führen, besonders wenn sie überwältigt oder frustriert sind.

Umgang mit Demenzkranken: Wie kann man einen dementen Menschen beruhigen?

Wenn Betroffene aufgebracht und aggressiv werden, versucht man häufig, sie mit Medikamenten zu beruhigen. Doch besser wirken Aktivitäten im Freien, Massagen und Musiktherapie.  Laut der Ärztezeitung sind diese Massnahmen «wirksamer als Medikamente». 

Umgang mit Demenzkranken: Haben Demenzkranke ein Zeitgefühl?

Die zeitliche Orientierung, sei es die Unterscheidung zwischen Morgen und Abend oder zwischen den Jahreszeiten, stellt für Menschen mit Demenz eine wachsende Herausforderung dar. Zudem fällt es ihnen immer schwerer, Gegenwart und Vergangenheit auseinanderzuhalten. Jacqueline Wettstein erläutert: «In einem weit fortgeschrittenen Stadium der Demenz kann eine betroffene Person sich deutlich jünger wahrnehmen, bisweilen sogar als Kind.» Mit der Zeit verblassen die Erinnerungen an das eigene Leben. Zunächst gehen jüngere Ereignisse verloren, und später auch solche, die länger zurückliegen.

Umgang mit Demenzkranken: Warum wird das Verhalten abends als schwierig erlebt?

Das Verhalten von Demenzkranken wird häufig in den Abendstunden als besonders herausfordernd wahrgenommen. Diese innerliche Unruhe, die vor allem in den Dämmerungsstunden auftritt, kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden. Jacqueline Wettstein erklärt, dass die abendliche Dämmerung oft mit Unsicherheit verbunden sei. Historisch gesehen war der frühe Abend für viele eine Zeit aktiver Gestaltung, während im Pflegeheim zu dieser Zeit meist weniger Aktivitäten angeboten werden. Dies kann bei Demenzerkrankten zu einem Gefühl der Leere und Angst führen. Ein weiterer Faktor ist die Beeinflussung des Hormons Melatonin durch die Erkrankung. Melatonin reguliert den Tag-Nacht-Rhythmus des Körpers. Wenn die Demenzerkrankung die Produktion dieses Hormons beeinträchtigt, kann dies zu einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus und damit verbundenen Schlafproblemen führen.

Was ist Sundowning?

Sundowning oder «Abenddämmerungssyndrom» tritt häufig bei Menschen mit Alzheimer oder anderen Formen von Demenz auf. Sundowning bezeichnet die Zunahme von Verwirrung oder Agitation bei dementen Personen während der Abenddämmerung und oft in die Nacht hinein. Die genauen Ursachen von Sundowning sind nicht vollständig verstanden, aber es gibt mehrere Theorien:

Tagesmüdigkeit: Einige Theorien schlagen vor, dass einfache Übermüdung am Ende des Tages ein Auslöser sein könnte.

Innere Uhr: Wie im oben genannten Absatz beschrieben, können Veränderungen im circadianen Rhythmus oder Probleme mit der Regulierung von Melatonin, dem Schlafhormon, zu Sundowning beitragen.

Umweltfaktoren: Veränderte Lichtverhältnisse während der Dämmerung könnten zu Verwirrung beitragen.

Mangel an Aktivität: Wie Jacqueline Wettstein erwähnt, kann ein Mangel an abendlichen Aktivitäten in Pflegeheimen oder anderen Umgebungen zu einem Gefühl von Unruhe oder Angst bei dementen Personen führen.

Umgang mit Demenzkranken: Was ist die Weglauftendenz?

Eines der herausforderndsten Verhaltensmuster bei Demenz ist die Weglauftendenz. Das plötzliche und unvorhergesehene Verlassen des gewohnten Umfelds kann für Angehörige und Betreuer beängstigend sein. Oftmals sind die Gründe für diese Tendenz in Verwirrung, Angst oder dem Versuch, zurück in die Vergangenheit oder zu einem vertrauten Ort zu gelangen, begründet. Es kann auch durch äussere Reize, wie beispielsweise laute Geräusche oder Überstimulation, ausgelöst werden. Um die Sicherheit der betroffenen Person zu gewährleisten und das Risiko eines Weglaufens zu minimieren, ist es wichtig, die Ursachen und Triggerpunkte zu erkennen.

Umgang mit Demenzkranken: Wie erkennt man die Triggerpunkte des Weglaufens?

Das Erkennen von Triggerpunkten bei Demenzkranken erfordert Geduld, Empathie und eine genaue Beobachtung. Für Angehörige können die folgenden Schritte hilfreich sein, um die Triggerpunkte herauszufinden:

Detaillierte Beobachtung: Dokumentieren Sie, wann und unter welchen Umständen die Weglauftendenz auftritt. Gibt es bestimmte Tageszeiten, Orte oder Situationen, die das Weglaufen auslösen?

Tagebuch führen: Ein Tagebuch über das Verhalten und die Umstände kann dabei helfen, Muster zu erkennen und mögliche Auslöser zu identifizieren.

Rückblick auf die Vergangenheit: Versuchen Sie zu verstehen, ob es bestimmte Orte, Personen oder Aktivitäten aus der Vergangenheit des Betroffenen gibt, die mit der Weglauftendenz in Zusammenhang stehen könnten.

Einbeziehung des Pflegepersonals: Wenn der Betroffene in einer Pflegeeinrichtung lebt, können Sie mit dem Pflegepersonal sprechen und deren Beobachtungen und Erfahrungen nutzen.

Vermeiden von Überstimulation: Achten Sie darauf, dass die Umgebung ruhig und ohne zu viele Ablenkungen ist. Zu laute Geräusche, eine Vielzahl von Personen oder schnelle Veränderungen können zu Überstimulation führen.

Kommunikation: Sprechen Sie mit dem Betroffenen, so gut es geht. Manchmal können selbst kleine Äusserungen oder nonverbale Hinweise Aufschluss über Triggerpunkte geben.

Rücksprache mit Expertinnen und Experten: Ein Neurologe oder eine Geriaterin kann möglicherweise spezifische Ursachen oder Trigger für das Weglaufen identifizieren.

Ein strukturierter Tagesablauf, ein sicheres Wohnumfeld, klare Beschilderungen und gegebenenfalls technische Hilfsmittel, wie GPS-Tracker, können hilfreich sein. Ebenso essenziell ist es, eine vertrauensvolle Beziehung zur demenzerkrankten Person aufzubauen und konstante Kommunikation zu pflegen. 

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