Finanzen

Altersarmut in der Schweiz – wenn das Geld zum Sparen fehlt

Tiefe Rente und keine Ersparnisse – wenn das Geld im Alter fehlt, kann das Seniorinnen und Senioren schlaflose Nächte bereiten. Denn wenn der Berg an unbezahlten Rechnungen immer weiter wächst und am Ende des Monats kein Geld mehr übrig ist, um Lebensmittel zu kaufen, kann das Angst machen. Was Betroffene tun können und wo sie Hilfe findet.

Wer während dem Erwerbsleben wenig Geld hatte, muss auch im Alter mit wenig auskommen.
Wer während dem Erwerbsleben wenig Geld hatte, muss auch im Alter mit wenig auskommen. © EllenaZ / iStock / Getty Images Plus

Altersarmut in der Schweiz – das Wichtigste in Kürze:

Sie haben ein Leben lang gearbeitet und doch reicht das ersparte Geld kaum zum über die Runden zu kommen. Die Lebenshaltungskosten in der Schweiz sind sehr hoch, sodass diejenigen, die schon wenig haben, am meisten leiden: die Rentnerinnen und Rentner.

Wann gilt man als arm in der Schweiz?

In der Schweiz gilt man als arm, wenn das Einkommen nicht ausreicht, um Lebensunterhaltskosten zu bezahlen. Wenn zum Beispiel Krankenkassenprämien und die Miete nicht bezahlbar sind und auch der Besuch beim Zahnarzt unerschwinglich ist.

Bei welchem Einkommen liegt die Armutsgrenze?

Die Armutsgrenze betrug im Jahr 2020 durchschnittlich 2279 Franken pro Monat für eine Einzelperson und 3963 Franken pro Monat für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern, die unter 14 Jahre alt waren.

Wann beginnt die Altersarmut?

Im Jahr 2018 waren 13,6 Prozent der Rentnerinnen und Rentner gemäss dem Bundesamt für Statistik auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Wer kein Geld hat, erhält in der Schweiz finanzielle Leistungen: auf Bundesebene sind das Ergänzungsleistungen (EL) zur Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV) sowie die Hilflosenentschädigung (HE). Kantonal erhalten Bedürftige individuelle Prämienverbilligungen (IPV), Wohnkostenzuschüsse und finanzielle Unterstützung für die häusliche Pflege.

Kann man mit 4000 Franken leben?

Haushalte, die weniger als 5000 Franken Bruttoeinkommen haben, können gemäss dem Bund praktisch kein Geld sparen. Ein Grund ist, dass in der Schweiz recht hohe Ausgaben auf einen zukommen, die man selber tragen muss. Kosten für Zahnarzt und Optiker sind in der Regel nicht von der Krankenkasse gedeckt. Brillen, bestimmte Medikamente und Hörgeräte müssen viele selber berappen. 

Wer ist von Altersarmut betroffen?

Im Jahr 2020 waren laut dem Bundesamt für Statistik in der Schweiz über 700 000 Menschen von Armut betroffen.

Von Armut betroffen sind Personen, die:

  • sehr wenig verdienen
  • die keine oder nur ungenügende Arbeit finden
  • alleinerziehend sind
  • keine dem Arbeitsmarkt entsprechende Ausbildung haben
  • krank oder invalid sind
  • einen Haushalt alleine finanzieren müssen
  • aufgrund des Wohnortes überdurchschnittliche Kosten zu tragen haben wie Steuern, Miete, Krankenkasse

Laut Placi Degonda von der Beratungsstelle für Schuldenfragen beim Roten Kreuz Graubünden leiden auch häufig Senioren unter Armut. Besonders betroffen: ältere Frauen.

Frauen leben länger

Frauen leben deutlich länger als Männer. Laut dem Bundesamt für Statistik beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen 85 Jahren, Männer werden im Schnitt 81 Jahre alt. Frauen erhalten damit nicht nur vier Jahre länger Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung, sie müssen allfällige Versorgungslücken vier Jahre länger mit privaten Vorsorgemitteln ausgleichen.

Frauen gehen früher in Rente

Frauen leben nicht nur länger als Männer, sie haben in der Schweiz auch mit 64 Jahren ein tieferes gesetzliches Pensionierungsalter (Männer: 65 Jahren). Dadurch zahlen Frauen nicht nur weniger lang in die Altersvorsorge ein, es verlängert sich auch die Dauer, in der Frauen von der Rente und ihren Ersparnissen leben müssen.

Frauen sind häufig nicht berufstätig

Frauen entscheiden sich häufiger als Männer nicht zu arbeiten. In der Schweiz betrug die Erwerbsquote von Frauen im Jahr 2020 insgesamt 58,5 Prozent, bei Männern: 85,1 Prozent.

Frauen arbeiten mehr Teilzeit

Frauen arbeiten häufiger Teilzeit als Männer. Laut dem Bundesamt für Statistik arbeiteten im Jahr 2021 58,6 Prozent der Frauen Teilzeit, bei den Männern 18,2 Prozent. Frauen in Teilzeitjobs haben weniger Aufstiegschancen und erhalten niedrigere Löhne. Verheiratete Frauen erhalten durchschnittlich 24 Prozent weniger Lohn als verheiratete Männer. Zu diesem Schluss kommt das eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau.

Frauen verdienen weniger

Im Jahr 2020 verdienten Frauen im Schnitt 10,8 Prozent weniger als Männer. Das Lohngefälle hat sich damit innert zwei Jahren nur leicht verringert. Zu diesem Schluss kommt das Bundesamt für Statistik. Die Unterschiede, so das Bundesamt, liessen sich «teilweise» durch das unterschiedliche Verantwortungsniveau am Arbeitsplatz oder den Wirtschaftszweig erklären: Je höher die Hierarchiestufe, desto grösser der Lohnunterschied. Hinzukommt: Ob Betreuung der Kinder oder von kranken Angehörigen: Noch immer übernehmen Frauen einen Grossteil der unbezahlten Care-Arbeit.

Frauen befassen sich spät mit Finanzfragen

Frauen befassen sich tendenziell später mit dem Thema Vorsorge und weisen weniger Kenntnisse über Finanzen und Vorsorge auf. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Instituts für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen.

Zu einem ähnlichen Schluss kommen Wissenschaftler des National Bureau of Economic Research. Ihr Fazit: Frauen sorgen weniger fürs Alter vor als Männer. Bei verheirateten Paaren kümmert sich zudem häufig der Mann um die Altersvorsorge. Erst bei einer Scheidung wird Frauen bewusst, dass ihre Vorsorge nicht zum Leben reicht.

Was kann man gegen Altersarmut tun?

Ob Frauen oder Wenigverdiener: Wer mit sehr kleinen Renten auskommen muss, hat Möglichkeiten, die Altersbezüge etwas aufzubessern:

  • Betreuungsgutschriften: Betreuende Angehörige haben Anspruch auf finanzielle Unterstützung. Die sogenannten Betreuungsgutschriften sind ein fiktives Einkommen. Das Geld wird dem AHV-Konto angerechnet. Jedes Jahr, in dem eine versicherte Person Angehörige betreut, werden der Person Gutschriften angerechnet.
  • Ergänzungsleistungen: Wenn die Rente zusammen mit dem übrigen Einkommen nicht ausreicht, um die minimalen Lebenskosten zu decken, hat man evtl. Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Das gilt für ledige Senioren mit weniger als 100 000 Franken Reinvermögen. Für Ehepaare liegt die Schwelle bei 200 000 Franken. In dieser Vermögensgrenze nicht inbegriffen sind Liegenschaften, die man selbst bewohnt.
  • Hilflosenentschädigung: Ist man bei täglichen Aufgaben wie Ankleiden, Körperpflege und Essen immer auf Hilfe von Dritten angewiesen, kann man Hilflosenentschädigung beantragen. Sie wird unabhängig von finanziellen Verhältnissen ausbezahlt und beträgt je nach Grad der Hilflosigkeit bis zu 956 Franken im Monat.
  • Prämienverbilligung: Wer in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen lebt, hat Anspruch auf Prämienverbilligung. Sie stellt eine finanzielle Unterstützung bei den Grundversicherungsprämien dar. In den meisten Kantonen werden die Beiträge aufgrund der Steuereinschätzung automatisch zugesprochen.
  • Arbeiten, bis zum Pensionierungsalter:  Die Verluste durch Rentenkürzungen bei vorzeitiger Pensionierung sind hoch. Wer mit 63 statt mit 65 Jahren pensioniert wird, verzichtet auf 6 bis 10 Prozent Rente. Wer die AHV-Rente zwei Jahre früher bezieht, muss mit einer Rentenkürzung von 13,6 Prozent rechnen. Länger arbeiten lohnt sich also.

Altersarmut: Holen Sie sich Hilfe

Verstecken Sie Ihre Sorgen nicht und sprechen Sie mit Ihren Mitmenschen über Ihre finanziellen Probleme. Erst wenn Ihr Umfeld weiss, wie es Ihnen geht, kann man Ihnen helfen. Placi Degonda empfiehlt, professionelle Hilfe zu holen. «Mit einer Budgetberatung gewinnt man einen Überblick über seine finanzielle Situation.»

Anlaufstellen:

Bei einer Budgetberatung gewinnt man einen Überblick über die Ausgaben.
Bei einer Budgetberatung gewinnt man einen Überblick über seine Ausgaben. © AlexanderFord / E+

Altersarmut: Die Kosten im Griff

Sie wünschen sich Ende Monat etwas Geld sparen zu können für Ferien in Griechenland? Mithilfe einer persönlichen Budgetkontrolle können Sie herausfinden, ob Ferien drin liegen und wie Sie nicht zu viel Geld ausgeben:

  • Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre Ausgaben. So finden Sie heraus, ob Sie bei Ihren Ausgaben die richtigen Prioritäten setzen.
  • Machen Sie ein Budget – mithilfe eines Budgets ist es einfacher, die Finanzen im Griff zu haben. Sie erkennen, wo Sie sparen können.
  • Unterteilen Sie Ihre Ausgaben in fixe und variable Kosten. Fixkosten sind Ausgaben, an denen Sie in der Regel nur schwer rütteln können. Darunter fallen Miete oder Nebenkosten. Variable Kosten können Sie hingegen leicht anpassen. Dazu gehören Ausgaben für Lebensmittel, Unterhaltungsangebote und Abos.
  • Legen Sie ein Ausgabenlimit für Ihre Kreditkarten fest.
  • Verkaufen Sie, was Sie nicht benötigen und schaffen Sie sich nichts Unnötiges an. Wenn Sie Neues benötigen, schauen Sie im Internet, ob Sie Gebrauchtes finden.
  • Machen Sie Anzahlungen von Schulden. Wenn Sie sich in einem Engpass befinden, rufen Sie Ihren Gläubiger an und versuchen Sie, eine Einigung zu finden. Zahlen Sie so viel ein, wie Sie können.
  • Beobachten Sie Ihre Handynutzung. Handys können schnell zur Kostenfalle werden. Vergleichen Sie die Abos von verschiedenen Handyanbieter und wählen Sie den günstigsten Anbieter aus.
  • Zahlen Sie Rechnungen immer fristgerecht, damit Sie Mahnungen und Betreibungen vermeiden.

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