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Essensverweigerung bei Demenz: Vom Misstrauen zum Vertrauen

Wenn Ihre dementen Eltern einfach nicht essen wollen, machen Sie sich als Angehörige verständlicherweise Sorgen. Sie haben Angst vor Unterernährung, die den demenzkranken Vater oder die demente Mutter weiter schwächen könnte. Doch mit Geduld und kreativen Ideen lassen sich demente Menschen meist doch zum Essen animieren.

Demente Personen wissen oft nicht, ob sie bereits gegessen haben.
Demente Personen wissen oft nicht, ob sie bereits gegessen haben. © Katarzyna Bialasiewicz / iStock / Getty Images Plus

Essensverweigerung – das Wichtigste in Kürze: 

  • Demenzkranke Menschen wissen oft nicht, ob sie bereits gegessen oder getrunken haben. Mehr erfahren Sie hier
  • Ein grosser Bewegungsdrang kann zur Unterernährung beitragen. Weitere Gründe lesen Sie hier
  • Zwang beim Essen ist keine Lösung. Im Gegenteil: Nur eine entspannte Atmosphäre lädt zum Essen ein. Wie Sie das schaffen, lesen Sie hier
  • 10 Tipps helfen, zum Essen zu motivieren. Zu den Tipps

«Habe ich schon gegessen?», «Habe ich Hunger oder Durst?», «Schmeckt das Essen wie gewohnt?» –  demente Menschen können sich solche Fragen oft nicht mehr beantworten. Entsprechend misstrauisch reagieren sie, wenn Angehörige oder Pflegefachleute sie zum Essen auffordern. Doch zu wenig Nahrung kann zu Unterernährung führen. Unsere 10 Tipps helfen, Ihre Eltern zum Essen zu motivieren.

Welche Gründe gibt es für eine Nahrungsverweigerung?

Ein typisches Symptom für Demenz ist – neben Gedächtnisstörungen –der nachlassende Orientierungssinn. Diese Desorientiertheit hat Folgen für die Nahrungsaufnahme.

  • Häufig wissen Menschen mit Demenz nicht, wann Essenszeit ist und ob sie bereits gegessen und getrunken haben
  • Manche können auch nicht einschätzen, ob sie Hunger oder Durst haben. Oder es fällt schwer, dies mitzuteilen
  • Zudem verändert sich bei vielen der Geschmack – demente Personen wissen oft nicht mehr, was genau sie gerade essen
  • Aus diesen Gründen reagieren Menschen mit Demenz oft misstrauisch, wenn sie aufgefordert werden zu essen

Wer demenzkrank ist, verliert darüber hinaus zunehmend die Fähigkeit, sich eine Mahlzeit selber zuzubereiten. «Aufgaben wie Einkaufen, eine Mahlzeit zuzubereiten, Auftischen und schliesslich auch das selbstständige Essen und Trinken fallen schwer oder sind nicht mehr möglich», ergänzt Jacqueline Wettstein, Leiterin Kommunikation und Fundraising der Organisation Alzheimer Schweiz.

Welche Auswirkungen hat die Demenz auf das Essverhalten?

Unterernährung:

Eine Demenz kann – vor allem dann, wenn Betroffene allein leben – zurUnterernährung führen. Dazu trägt unter anderem der grosse Bewegungsdrang bei, der den Kalorienbedarf steigert. Jacqueline Wettstein: «Eine Überernährung ist im Vergleich deutlich seltener anzutreffen und abhängig von der Art der Demenz.»

Schluckstörungen:

Der Schluckreflex setzt ein fein koordiniertes Zusammenspiel verschiedener Muskeln voraus. Bei Menschen mit Demenz kann er durch den Nervenzellenabbau beeinträchtigt sein. «Neurologische Veränderungen führen im Endstadium oft zu Schluckstörungen», weiss Jacqueline Wettstein. «Husten nach dem Essen oder nach dem Trinken ist möglicherweise ein Indiz für entsprechende Beschwerden.» In diesen Fällen könne eine logopädische Beratung hilfreich sein. «Püriertes Fleisch, mit Saucen angereicherte Speisen oder verdickte Getränke schaffen ausserdem eine gewisse Erleichterung.»

Was passiert, wenn Demenzkranke nicht mehr essen und trinken?

Nahrung ist Energie. Erhält der Körper zu wenig Nahrung, lassen die Kräfte nach. Die Gefahr zu stürzen oder an einer Infektion zu erkranken, steigt. Gleichzeitig nimmt die Fähigkeit ab, sich zu orientieren.

Soll man demente Personen zum Essen zwingen?

Wenn Menschen mit Demenz nicht essen wollen, fühlen sich Angehörige oder begleitende Menschen schnell hilflos. Doch Zwang ist keine Lösung. «Eine demenzerkrankte Person wird nicht essen, wenn sie nicht will. Sie zu drängen, führt zu Widerstand und löst eventuell auch Aggressionen aus», warnt Jacqueline Wettstein.

Wie kann man Demenzkranke zum Essen animieren?

Wenn Menschen mit Demenz nicht essen wollen, ist Kreativität gefragt. Jacqueline Wettstein: «Kleine Häppchen sind eventuell einladender als ein reich gefüllter Teller. Zwischenmahlzeiten wie Käsehäppchen oder Apfelstücke können helfen, das Essen auf den ganzen Tag zu verteilen.» Darüber hinaus sei es wichtig, die Selbstständigkeit beim Essen zu fördern.

Wann darf man zwangsernährt werden?

Menschen mit Demenz können sich im letzten Stadium der Krankheit oft nicht mehr selbst ernähren, zum Beispiel, weil sie unter Schluckstörungen leiden. In diesen Fällen kann eine künstliche Ernährung sinnvoll sein.

Was sollten demente Personen essen und trinken?

Wenn demenzerkrankte Menschen eine Tagesstätte besuchen, in einem Pflegeheim leben oder zu Hause durch die Spitex betreut werden, ist ein Ernährungsplan sinnvoll. Er setzt die Nahrungsmittel so zusammen, dass der Nährstoffbedarf abgedeckt ist. Damit auch schmeckt, was angeboten wird, kann eine Essbiografie zum Einsatz kommen. Sie umfasst die individuellen Wünsche und Vorlieben und Essgewohnheiten.

Angehörige, die Menschen zu Hause betreuen, können gesunde Snacks in verschiedenen Räumen aufstellen. «So werden Demenzbetroffene immer wieder daran erinnert, etwas zu essen», sagt Jacqueline Wettstein. «Lieblingsgerichte werden eher erkannt als andere, aber manchmal schmecken sie nun nicht mehr. Auch hier gilt es, immer wieder auszuprobieren.»

10 Tipps, damit demente Personen essen und trinken

Für Ruhe sorgen

Wichtig ist, den Tisch gemütlich und übersichtlich zu gestalten und unnötige Gegenstände wegzuräumen. Auf den Tisch gehört nur das, was auch gegessen werden soll.

Essen erkennbar machen

Die Speisen sollen erkennbar sein. Jacqueline Wettstein nennt ein Beispiel: «Kartoffelstock mit Huhn und Blumenkohl wird auf einem grünen oder roten Teller besser wahrgenommen als auf einem weissen.»

Namen geben

Hilfreich ist es, die Speisen zu benennen.

Alles erklären

Wer die Speisen und Getränke zeigt und erklärt, motiviert die demenzkranke Person, schafft Vertrauen.

Auf Besteck verzichten

Speisen, die bereits mundgerecht angeboten werden und Häppchen werden manchmal bevorzugt.

Für Entspannung sorgen

Die Atmosphäre beim Essen sollte entspannt sein.

Routine schaffen

Gleichbleibende Sitzplätze helfen, sich am Tisch besser zu orientieren.

Keine Experimente

Das Essen sollte nicht ausgefallen, sondern vertraut sein.

Rituale schaffen

Zuprosten und Trinksprüche animieren zum Trinken.

Essensparcours

Das Konzept «Eat by walking», das Mangelernährung vorbeugen soll, nimmt denjenigen Stress, die nicht lange am Tisch sitzen können. In diesem Rahmen werden Häppchen an verschiedenen Stellen platziert, auch ausserhalb der Mahlzeiten.

Weiterführende Informationen:

  • Was sich tun lässt, damit Menschen mit Demenz genügend Flüssigkeit aufnehmen, erläutert das Beratungsteam des nationalen Alzheimer-Telefons (058 058 80 00). Weitere Informationen gibt es hier.  Kostenlose Infoblätter gibt es hier

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