Krankheiten

Dysphagie: Wenn das Schlucken schwerfällt

Wenn von Dysphagie die Rede ist, sind Schluckstörungen gemeint. Sie können vor allem im fortgeschrittenen Alter auftreten, gehören aber auch zu den Folgen eines Schlaganfalls. Schluckstörungen äussern sich durch Husten, Stimmveränderungen und Räuspern. Sie können jedoch auch dafür sorgen, dass die betroffene Person sich häufig verschluckt, was im schlimmsten Falle eine Lungenentzündung zur Folge hat. Durch gezielte Massnahmen kann eine Dysphagie oft verbessert werden.

Dysphagie bedeutet Schluckstörung.
Dysphagie bedeutet Schluckstörung. © KatarzynaBialasiewicz / iStock / Getty Images Plus

Eine Schluckstörung kann unterschiedliche Ursachen haben und muss je nach Ausmass anders behandelt werden. Um zu verstehen, was eine Dysphagie für Folgen mit sich bringt und wie die Behandlungschancen sind, haben wir mit Dr. Stephanie Reetz, Fachärztin am Universitätsspital Zürich, gesprochen. Frau Reetz ist Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Dysphagie (SGD).

Daysphagie – das Wichtigste in Kürze:

  • Dysphagie bedeutet Schluckstörung.
  • Dysphagie ist ein Symptom einer Erkrankung.
  • Zu den Ursachen gehören neurologische Erkrankungen, Erkrankungen, die die schluckrelevanten Strukturen betreffen und/oder ein fehlerhafter Gebrauch der Schluckstrukturen (funktionell).
  • Im fortgeschrittenen Alter treten Dysphagien häufiger auf.
  • Zu den Symptomen gehören unter anderem Husten, Räuspern, Stimmveränderungen oder Steckenbleiben von Nahrung während des oder nach dem Essen, sowie Mangelernährung, Gewichtsverlust, Fieberschübe und gehäufte Lungenentzündungen.
  • Eine Dysphagie ist nicht immer heilbar, kann aber meistens durch gezielte Massnahmen verbessert werden.

meineEltern: Frau Dr. Reetz, was genau ist unter Dysphagie zu verstehen?

Frau Dr. Reetz: Eine Dysphagie ist eine Störung des Schluckens. Sie äussert sich darin, dass der Patient oder die Patientin Schwierigkeiten hat, Nahrung und Flüssigkeiten aufzunehmen, zu zerkleinern und/oder zu transportieren. Auch das Abschlucken des Speichels kann beeinträchtigt sein. Bei Dysphagie handelt es sich um ein Symptom, das unterschiedliche Ausprägungen hat und dem eine Erkrankung zugrunde liegt.

Welche Arten von Dysphagien gibt es?

Die meisten Schluckstörungen treten im Mund- und Rachenbereich auf. Diese nennt man oropharyngeale Dysphagien. Wenn sich eine Schluckstörung im Bereich der Speiseröhre bemerkbar macht, wird sie als ösophageale Dysphagie bezeichnet. Beide Arten können auch kombiniert auftreten.

Was sind die Ursachen für Dysphagie?

Eine Dysphagie ist die Folge unterschiedlicher Grunderkrankungen.

  • Neurologische Erkrankungen: Zu den häufigsten Ursachen zählen neurologische Erkrankungen, wie zum Beispiel der Schlaganfall. In der Akutphase weisen 50 bis 80 Prozent der Betroffenen und in der chronischen Phase noch bis zu 25 Prozent der Patienten eine Schluckstörung auf.
  • Strukturelle Veränderungen im Kopf-Hals-Bereich: Patienten, die zum Beispiel aufgrund von Tumoren im Kopf-Hals-Bereich operiert und/oder bestrahlt wurden, bilden eine weitere grosse Gruppe von Betroffenen. Der Grund liegt darin, dass eine Tumoroperation und/oder eine Bestrahlung der Organe, die am Schlucken beteiligt sind, zu strukturellen Veränderungen führen.
  • Fortgeschrittenes Alter: Auch Alterungsprozesse können zu einer Schluckstörung führen.
  • Funktionelle Störungen: Funktionelle Störungen weisen keine nachweisbaren organischen Schäden auf. Diese gehen hauptsächlich mit Fehlhaltungen einher. Sie können auch auf psychische Ursachen hindeuten und treten häufig mit Angststörung, Depression oder vermehrtem Stress auf.

Wie lässt sich Dysphagie diagnostizieren?

Bei der Diagnostik kann ein Screeningverfahren zum Einsatz kommen. Das Screening hilft, Risikopatienten zu identifizieren und herauszufinden, ob der betroffene Patient gefahrlos essen kann.

Darüber hinaus entscheidet es, ob eine instrumentelle Diagnostik durch ein geschultes Team notwendig ist. Zur instrumentellen Diagnostik zählen zum Beispiel röntgenologische Verfahren (Videofluoroskopie). Dabei wird der Schluckakt durchleuchtet, beobachtet und gefilmt. Zur instrumentellen Diagnostik gehört auch die Untersuchung mit speziell biegsamen optischen Instrumenten (transnasale flexible Endoskopie). Mithilfe des flexiblen Endoskops lassen sich die anatomischen Strukturen, die am Schluckakt beteiligt sind, und deren Funktion sehr gut beurteilen.

So werden Störungen im Schluckvorgang identifiziert und der Ursache zugeordnet. Beide instrumentellen Verfahren haben den grossen Vorteil, dass therapeutische Techniken auf ihre Wirksamkeit erprobt werden können. Daraus können ein spezifisches therapeutisches Vorgehen und gegebenenfalls weiterführende diagnostische Schritte veranlasst werden.

Welche Symptome deuten auf Dysphagie hin?

Die Symptome einer Dysphagie können – je nach Lokalisation – unterschiedlich sein. So gibt es zum Beispiel direkte Hinweise, die sich bei der Nahrungsaufnahme oder beim Trinken beobachten lassen. Dazu zählen Husten, Räuspern, Stimmveränderungen oder Steckenbleiben von Nahrung.

Eine Schluckstörung kann jedoch auch schleichend auftreten und sich indirekt unter anderem durch Mangelernährung, Gewichtsverlust, längere Essenszeiten, Dehydratation, unklaren Temperaturschüben und Lungenentzündungen äussern.

Wie lässt sich Dysphagie therapieren?

Ein Therapieplan muss individuell erstellt und bei Bedarf angepasst werden. Daran beteiligen sich verschiedene Berufsgruppen: Schlucktherapeuten (Logopäden), spezialisierte Ärzte (vor allem Phoniater und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte), Physio- und Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Pflegekräfte, Psychologen und Sozialberater, die interdisziplinär zusammenarbeiten. Die folgenden beiden Therapien sind besonders wichtig:

  • Funktionelle Dysphagietherapie: Die sogenannte funktionelle Dysphagietherapie hat einen hohen Stellenwert, da sie funktions- und problemorientiert vorgeht. Dabei üben die Betroffenen Beweglichkeit, Schnelligkeit und Muskelkraft, die beim Schlucken notwendig sind, verändern die Haltung des Körpers und/oder trainieren verschiedene Schlucktechniken, die das Schlucken sicherer oder effektiver machen. Auch die Nahrung kann durch ihre Konsistenz so angepasst werden, dass sie sich leichter schlucken lässt. Hilfsmittel wie Esshilfen oder spezielle Trinkgefässe können zum Einsatz kommen.
  • Ernährungssonde: Sollte die Schluckstörung so ausgeprägt sein, dass ein sicheres Schlucken der benötigten Nahrung nicht gewährleistet ist, kommt eine Ernährungssonde zum Einsatz. Durch diese können Nahrung und Flüssigkeit in den Magen gelangen. Die nasogastrale Sonde wird über die Nase, die PEG-Sonde von aussen durch die Bauchdecke eingeführt.
Untersuchung bei einem Dysphagie-Erkrankten
Untersuchung bei einem Dysphagie-Erkrankten © zVg Frau Dr. med. Stephanie Reetz

Ist Dysphagie heilbar?

Ob eine Dysphagie heilbar ist, ist abhängig von der Grunderkrankung. Ist sie sehr ausgeprägt, zum Beispiel aufgrund einer fortschreitenden neurologischen Erkrankung, zum Beispiel Morbus Parkinson, oder nach grösseren Tumoroperationen, ist keine Heilung zu erwarten. Jedoch kann eine Verbesserung in vielen Fällen durch gezielte Massnahmen erreicht werden. Funktionelle Störungen sind hingegen meistens heilbar.

Welche Folgen kann Dysphagie haben?

Folgen einer Dysphagie können Mangelernährung, Gewichtsverlust, Dehydratation, Fieberschübe und gehäufte Lungenentzündungen sein. Häufig ist für den Betroffenen die Einschränkung im sozialen Bereich eine besondere Belastung.

Wenn es für den Patienten nicht mehr möglich ist, gemeinsam mit der Familie am Tisch zu essen oder sich mit Freunden zu Kaffee und Kuchen zu treffen, geht dies mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität einher. Dies kann zu sozialem Rückzug bis zur Vereinsamung des Betroffenen führen.

Zur Person:

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Frau Dr. med. Stephanie Reetz © zVg

Die Fachärztin für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie mit Schwerpunkttitel Phoniatrie, Frau Dr. med. Stephanie Reetz, arbeitet in der Abteilung für Phoniatrie und Klinische Logopädie der ORL-Klinik im Universitätsspital Zürich. In ihrer täglichen Arbeit begegnet sie Menschen mit verschiedenen Störungsbildern, insbesondere der Stimme und des Schluckens. «Im Vordergrund steht für mich der Patient und nicht das Krankheitsbild. Das macht die Arbeit besonders spannend und motivierend», berichtet sie.

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