Patientenverfügung: So erstellen Ihre Eltern ein Dokument
Eine Patientenverfügung ermöglicht es, älteren Menschen zu bestimmen, welche medizinischen Behandlungen sie in kritischen Gesundheitssituationen wünschen. Obwohl das Internet eine Vielzahl von Vorlagen für Patientenverfügungen bietet, entsprechen nicht alle den spezifischen Bedürfnissen Ihrer Eltern. Welche Vorlage entspricht den Ansprüchen Ihrer Eltern und was können Sie tun, wenn Ihre Eltern keine Patientenverfügung verfassen wollen?
Patientenverfügung – das Wichtigste in Kürze:
- Eine Patientenverfügung ist eine schriftliche Willenserklärung. Kann jede Person eine Patientenverfügung erstellen?
- Beim Ausfüllen des Formulars sollte man sich von einer fachkundigen Person beraten lassen. Was muss in einer Patientenverfügung stehen?
- Das Schweizerische Zivilgesetzbuch legt fest, welche Person für den Patienten sprechen darf, wenn keine Patientenverfügung vorliegt. Wer entscheidet, wenn keine Patientenverfügung vorliegt?
- Das Gespräch über eine Patientenverfügung mit seinen Eltern zu führen, kann eine sensible Angelegenheit sein. Unsere Tipps
- Viele Patientenverfügungen sind oft unklar oder widersprüchlich. Eine Expertin der SPO Patientenorganisation sagt, wieso.
Mit 85 Jahren hatte Frau Müller einen schweren Sturz in ihrem Zuhause, was zu einem komplizierten Oberschenkelbruch führte. Während der Operation traten Komplikationen auf und Frau Müller musste künstlich beatmet werden. Dank ihrer im Voraus verfassten Patientenverfügung wussten die Ärzte und ihre Familie, dass sie keine lebensverlängernden Massnahmen wünschte, sollte es keine Aussicht auf Besserung geben. Dies verhinderte eine lange und schmerzhafte Zeit des Ungewissheit und Wartens. Eine Patientenverfügung gibt somit im Alter die Sicherheit, dass die eigenen Wünsche und Vorstellungen auch dann beachtet werden, wenn man selbst nicht mehr dazu in der Lage ist, sie auszudrücken.
Was bringt eine Patientenverfügung?
In der Schweiz ermöglicht eine Patientenverfügung, im Voraus schriftlich festzulegen, welche medizinischen Massnahmen eine Person in Situationen wünscht oder ablehnt, in denen sie nicht mehr in der Lage ist, eigenständige Entscheidungen zu treffen.
Wer kann eine Patientenverfügung erstellen?
In der Schweiz hat jede urteilsfähige Person das Recht, eine rechtsgültige Patientenverfügung zu verfassen. Doch was bedeutet «urteilsfähig»? Laut Artikel 16 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches ist jemand urteilsfähig, wenn er aufgrund von geistiger Reife und Gesundheit in der Lage ist, vernunftgemäss zu handeln. Dies schliesst Personen aus, die wegen ihres jungen Alters, geistigen Behinderungen, psychischen Erkrankungen oder anderen ähnlichen Zuständen diese Fähigkeit nicht besitzen.
Wann sollte man eine Patientenverfügung erstellen?
Es ist empfehlenswert, eine Patientenverfügung frühzeitig zu erstellen, solange man noch in der Lage ist, vernünftige Entscheidungen zu treffen und seinen eigenen Willen klar auszudrücken.
Gesundheitliche Stabilität: Es ist ratsam, eine Patientenverfügung zu erstellen, wenn man gesundheitlich stabil ist und keine akuten medizinischen Probleme hat. In dieser Phase kann man klar den eigenen Willen und die gewünschten medizinischen Entscheidungen festlegen.
Diagnose einer schweren Krankheit: Wenn bei Ihnen oder Ihren Eltern eine schwerwiegende Krankheit oder eine fortschreitende Erkrankung diagnostiziert wurde, sollten Sie sofort eine Patientenverfügung in Betracht ziehen. Dies ermöglicht es Ihnen, Ihre Präferenzen für zukünftige medizinische Behandlungen festzulegen, bevor Ihre Gesundheit sich weiter verschlechtert.
Lebensereignisse: Lebensverändernde Ereignisse wie Heirat, Scheidung, Geburt eines Kindes oder der Verlust eines geliebten Menschen können den Bedarf für eine Aktualisierung der Patientenverfügung hervorrufen, um sicherzustellen, dass die Wünsche der erstellenden Person entsprechend berücksichtigt werden.
Alter: Mit zunehmendem Alter wird die Erstellung oder Aktualisierung einer Patientenverfügung immer wichtiger, da das Risiko für schwerwiegende Gesundheitsprobleme im Alter steigt. Es ist sinnvoll, dies frühzeitig zu erledigen, um im Fall der Fälle vorbereitet zu sein.
Vor geplanten medizinischen Eingriffen: Bevor man sich einer grösseren Operation oder einem anderen medizinischen Eingriff unterzieht, sollte man seine Patientenverfügung überdenken oder aktualisieren, um sicherzustellen, dass die eigenen Präferenzen bezüglich der medizinischen Versorgung während des Eingriffs berücksichtigt werden.
Plötzliche Lebensbedrohung: Wenn man in eine lebensbedrohliche Situation gerät, in der man nicht in der Lage ist, medizinische Entscheidungen zu treffen, ist es bereits zu spät für eine Patientenverfügung. Daher sollte man dies im Voraus erledigen.
Patientenverfügung FMH-Standard: Was ist das?
Der FMH-Standard bezieht sich auf die von der Schweizerischen Ärztegesellschaft (FMH) herausgegebenen Richtlinien zur Patientenverfügung. Diese bieten eine klare Struktur und Orientierungshilfe für Patienten und medizinisches Personal, um sicherzustellen, dass Patientenwünsche im Einklang mit medizinischer Ethik und Praxis berücksichtigt werden.
Wie komme ich zu einer Patientenverfügung: PDF zum Download
Online sind zahlreiche Formulare im PDF-Format verfügbar, die es Interessierten erleichtern, eine Patientenverfügung auszudrucken und auszufüllen. Es ist empfehlenswert, eine offizielle und anerkannte Vorlage zu nutzen, um sicherzugehen, dass alle relevanten Aspekte berücksichtigt sind und die Verfügung in der Praxis auch Anerkennung findet.
Wer macht mir eine Patientenverfügung?
1 Patientenverfügung besorgen
Verschiedene Verbände und Vereinigungen, etwa der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH, bieten Patientenverfügungen zum Download an. Sie lassen sich ausdrucken.
2 Vertretungsberechtigte Person wählen
Die vertretungsberechtigte Person hat eine verantwortungsvolle Rolle, da sie die Interessen und Wünsche des Patienten in Situationen vertritt, in denen dieser nicht mehr in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen. Diese Vertretung kann sowohl medizinische Entscheidungen als auch organisatorische und verwaltungstechnische Angelegenheiten umfassen. Es ist daher wichtig, dass die ausgewählte Person gut über die Wünsche und Vorstellungen des Patienten informiert ist und diese auch respektiert. Zusätzlich sollte die vertretungsberechtigte Person in der Lage sein, mit medizinischem Personal zu kommunizieren, die medizinische Situation zu verstehen und entsprechend im Sinne des Patienten zu handeln. Es kann auch empfehlenswert sein, regelmässige Gespräche zwischen dem Patienten und der vertretungsberechtigten Person zu führen, um sicherzustellen, dass beide Parteien kontinuierlich über mögliche Änderungen oder Anpassungen der Patientenverfügung auf dem Laufenden sind. In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, zusätzliche juristische Beratung in Anspruch zu nehmen, um die Rechte und Pflichten der vertretungsberechtigten Person klar zu definieren.
3 Formular ausfüllen
Die Vorlage sollte sorgfältig und in klaren, verständlichen Formulierungen ausgefüllt werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Es ist ratsam, alle Abschnitte vollständig auszufüllen und keine Felder leer zu lassen. Falls ein bestimmter Abschnitt nicht zutreffend ist, kann «nicht zutreffend» oder «N/A» vermerkt werden. Das Datum gibt an, wann die Patientenverfügung erstellt oder aktualisiert wurde. Es ist essenziell, die Patientenverfügung eigenhändig zu unterschreiben, damit sie ihre Gültigkeit erhält. Wenn möglich, sollte die Unterschrift von einem Zeugen oder, je nach gesetzlichen Anforderungen, von einem Notar bestätigt werden. Dies stellt sicher, dass die Verfügung im Bedarfsfall als authentisch anerkannt wird. Falls später Änderungen vorgenommen werden, sollte die Patientenverfügung erneut datiert und unterschrieben werden, um die Aktualität zu gewährleisten.
4 Die Patientenverfügung hinterlegen
Es ist von entscheidender Bedeutung, sicherzustellen, dass im Notfall schnell auf die Patientenverfügung zugegriffen werden kann. Daher sollte sie an einem leicht zugänglichen und bekannten Ort aufbewahrt werden. Zudem kann es hilfreich sein, neben einem Vermerk im Portemonnaie auch ein digital gespeichertes Dokument oder eine Notiz im Smartphone zu haben, die auf den Aufbewahrungsort der Patientenverfügung hinweist. Ein regelmässiges Überprüfen und ggf. Aktualisieren der Patientenverfügung wird empfohlen, um sicherzustellen, dass sie stets den aktuellen Wünschen und medizinischen Anforderungen entspricht. Es kann auch ratsam sein, mit den wichtigsten Angehörigen und engen Vertrauten über die Existenz und den Inhalt der Patientenverfügung zu sprechen, damit sie in einer Notsituation informiert und vorbereitet sind.
Warum sollte man seine Patientenverfügung regelmässig aktualisieren?
Die regelmässige Aktualisierung einer Patientenverfügung ist aus mehreren Gründen essentiell: Sie gewährleistet, dass die Dokumentation stets die aktuellen medizinischen Wünsche und Präferenzen des Verfassers reflektiert, was besonders wichtig ist, wenn sich diese im Laufe der Zeit ändern. Zudem berücksichtigt sie neue medizinische Informationen oder Entwicklungen, die Einfluss auf die gewünschten Behandlungsarten haben könnten. Darüber hinaus stellt die Aktualisierung sicher, dass die Verfügung im Einklang mit möglichen rechtlichen Änderungen bleibt, und minimiert das Risiko von Missverständnissen oder Konflikten zwischen den Angehörigen und medizinischem Personal bezüglich der Auslegung des Dokuments.
Beispiel:
Frau Müller hat vor vielen Jahren eine Patientenverfügung verfasst. In dieser Verfügung hat sie festgelegt, dass sie im Falle einer schweren Krankheit keine lebenserhaltenden Massnahmen wünscht. Seitdem hat sich jedoch ihre Einstellung zum Leben und zu medizinischen Behandlungen geändert, was sie aber nicht in einer aktualisierten Patientenverfügung festgehalten hat.
Nun erleidet Frau Müller einen schweren Schlaganfall und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Aufgrund ihrer ursprünglichen Patientenverfügung entscheiden die Ärztinnen und Ärzte, keine intensiven lebenserhaltenden Massnahmen zu ergreifen. Ihre Familie, die von ihrer geänderten Einstellung weiss, ist jedoch der Ansicht, dass Frau Müller eine intensivere Behandlung gewünscht hätte. Dies führt zu einem Konflikt zwischen den Familienmitgliedern und dem medizinischen Personal, da unklar ist, welche Behandlung tatsächlich im Sinne von Frau Müller wäre.
5 Patientenverfügung regelmässig überprüfen
Sinnvoll ist es, alle zwei bis drei Jahre zu überprüfen, ob die Verfügung mit den aktuellen Wünschen und Einstellungen übereinstimmt. Im Laufe der Zeit können sich persönliche Ansichten, gesundheitliche Situationen oder familiäre Umstände ändern, die eine Anpassung der Patientenverfügung erforderlich machen könnten. Ein festes Intervall für die Überprüfung hilft dabei, sicherzustellen, dass die Dokumentation stets aktuell und repräsentativ für die eigenen Wünsche bleibt. Bei grösseren Lebensereignissen, wie beispielsweise einer Ehescheidung, dem Tod eines Angehörigen oder signifikanten gesundheitlichen Veränderungen, sollte die Verfügung auch ausserhalb des regulären Intervalls betrachtet werden. Nach jeder Aktualisierung sollte eine neue Kopie an vertrauenswürdige Personen und den behandelnden Arzt weitergegeben und ältere Versionen vernichtet werden, um Verwirrungen zu vermeiden.
Wer erhält das Original der Patientenverfügung?
Das Original der Patientenverfügung sollte an einem sicheren, leicht zugänglichen Ort aufbewahrt werden, wobei mindestens zwei Personen darüber informiert sein sollten, wo es zu finden ist. Typischerweise erhält der benannte Bevollmächtigte eine Kopie, um im Notfall schnell darauf zugreifen und die Verfügungsanweisungen durchsetzen zu können. Ebenfalls sinnvoll ist es, eine Kopie beim Hausarzt oder der behandelnden Ärztin zu hinterlegen, damit medizinische Fachkräfte im Falle einer medizinischen Notwendigkeit Zugang zu den persönlichen Präferenzen haben. Zusätzlich sollten vertrauenswürdige Familienmitglieder oder Freunde über die Existenz der Patientenverfügung und ihren Standort informiert werden. Digitale Kopien auf einem sicheren Datenträger können ebenfalls nützlich sein und sollten denselben Personen zur Verfügung gestellt werden. Regelmässige Überprüfungen und Aktualisierungen der Patientenverfügung sind wichtig, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten über die neuesten Informationen verfügen.
Was muss in einer Patientenverfügung enthalten sein?
Eine Patientenverfügung kann man auch selbst von Hand oder am Computer schreiben. Wichtig ist, dass man das Dokument ausdruckt und unterschreibt. Eine Patientenverfügung sollte detaillierte und klare Angaben enthalten, um Missverständnissen vorzubeugen und die eigenen Wünsche in verschiedenen gesundheitlichen Situationen verständlich zu machen. Hier eine Auflistung der essenziellen Bestandteile:
Persönliche Daten:
Name, Vorname, Geburtsdatum
Bestätigung der Urteilsfähigkeit:
Erklärung, dass man im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte ist und diese Verfügung eigenständig getroffen hat.
Persönliche Wertehaltung:
Beschreibung der eigenen Auffassung von Lebensqualität und was für einen «Sterben in Würde» bedeutet.
Vertretungsperson:
Bestimmung einer oder mehrerer Personen, die im Fall der eigenen Entscheidungsunfähigkeit die Wünsche und Vorstellungen vertreten. Zudem Kontaktangaben und eventuell Bestimmung einer Ersatzperson.
Anwendungsbedingungen:
Klare Definition, in welchen gesundheitlichen Situationen die Verfügung greifen soll.
Medizinische Wünsche:
Eine genaue Beschreibung der gewünschten medizinischen Massnahmen und Therapien.
Behandlungsort:
Angaben, ob man beispielsweise zu Hause, in einem Krankenhaus oder einem Hospiz behandelt werden möchte.
Ärztliche Schweigepflicht:
Erklärungen, ob und inwieweit die ärztliche Schweigepflicht gegenüber bestimmten Personen gelockert werden soll.
Ziele der medizinischen Behandlung:
Was erhofft man sich von bestimmten Massnahmen in festgelegten Situationen?
Spezifische medizinische Massnahmen:
Genaue Angaben, welche Massnahmen man wünscht oder ablehnt, z.B. Wiederbelebung, künstliche Ernährung etc.
Organspende:
Angaben, ob und welche Organe nach dem Tod gespendet werden dürfen.
Letzte Wünsche:
Wünsche bezüglich der Bestattung, Feierlichkeiten oder der Verwendung des eigenen Körpers nach dem Tod.
Abschluss:
Datum der Erstellung und Unterschrift, um die Gültigkeit zu bestätigen.
Wer Sie und Ihre Eltern bei einer Patientenverfügung beraten kann
Wer bei der Erstellung einer Patientenverfügung unsicher ist, kann sich beraten lassen. Spezialisierte Institutionen, Anwälte, Ärzte oder auch Organisationen wie das Schweizerische Rote Kreuz bieten Beratungen an. Eine solche professionelle Begleitung ist insbesondere wichtig, um den genauen Inhalt und die Rechtslage zu verstehen. Eine Beratung beim Ausfüllen der Patientenverfügung ist nicht nur sinnvoll, sondern oft auch empfehlenswert. Hierbei geht es darum, die komplexen medizinischen Fachbegriffe und Situationen zu verstehen und sicherzustellen, dass die getroffenen Entscheidungen im Einklang mit den persönlichen Werten und Vorstellungen stehen. Durch diese zusätzliche Expertise kann man sicherstellen, dass die Patientenverfügung im Ernstfall auch genau so umgesetzt wird, wie man es sich wünscht. Es lohnt sich daher, in eine solche Beratung zu investieren, um spätere Unsicherheiten oder Fehlinterpretationen zu vermeiden.
Experten und Services, die bei der Erstellung helfen
Hier gibt es Hilfe beim Ausfüllen der Patientenverfügung:
- Hausarzt, Hausärztin
- Schweizerisches Rotes Kreuz
- SPO Patientenorganisation
- Dialog Ethik
Was passiert, wenn man keine Patientenverfügung hat?
Wenn ein Patient weder eine Patientenverfügung verfasst noch eine Vertretung festgelegt hat, gibt das Schweizerische Gesetz klare Richtlinien vor, wer in welcher Reihenfolge Entscheidungen treffen darf:
- Ehepartner und eingetragene Lebenspartner: An erster Stelle stehen Partner, die durch Ehe oder eine eingetragene Partnerschaft verbunden sind.
- Mitbewohner: Hierzu zählen Personen, die mit dem Patienten in einer gemeinschaftlichen Lebensform zusammenleben, wie z.B. Konkubinatspaare. Einfache Wohngemeinschaften sind hiervon ausgenommen.
- Kinder des Patienten
- Eltern des Patienten
- Geschwister
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Familienangehörigen nur dann die Befugnis zur Vertretung haben, wenn sie einen regelmässigen Kontakt zum Patienten pflegen.
In Situationen, in denen der Patient keine nahestehenden Familienangehörigen hat, keinen Kontakt zu ihnen pflegt, diese nicht zu erreichen sind oder nicht entscheiden wollen, kommt die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ins Spiel. Sie wird einen Beistand ernennen, der im besten Interesse des Patienten handelt. Dabei kann es sich um einen Verwandten oder auch um eine Person aus dem Freundeskreis handeln.
In dringenden medizinischen Situationen haben Ärzte jedoch das Recht, erforderliche Behandlungen durchzuführen. Sollte der Wille des Patienten nicht bekannt sein, basiert ihre Entscheidung auf dem mutmasslichen Willen der urteilsunfähigen Person, wie im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (Art. 378) verankert.
Unklare Patientenverfügung: Was heisst das...?
Obwohl Patientenverfügungen existieren, finden sie im medizinischen Alltag nicht immer Beachtung. Etwa 44 Prozent dieser Dokumente sind laut quarks.de oft lückenhaft oder schwer verständlich, was ihre Wirksamkeit in kritischen Momenten einschränkt. Vage Aussagen wie der Wunsch, in «aussichtslosen Fällen» auf «lebensverlängernde Massnahmen» zu verzichten, gelten nach Urteilen des deutschen Bundesgerichtshofs als nicht ausreichend. Sie lassen Ärztinnen und Ärzten zu viel Interpretationsspielraum in Situationen, in denen ohnehin schon wenige Handlungsoptionen bestehen.
Wie spreche ich mit meinen Eltern über eine Patientenverfügung?
Das Gespräch über eine Patientenverfügung mit seinen Eltern zu führen, kann eine sensible Angelegenheit sein. Hier sind einige Tipps, wie Sie das Thema professionell und taktvoll ansprechen können:
- Wählen Sie einen ruhigen Zeitpunkt: Bringen Sie das Thema zu einem Zeitpunkt zur Sprache, an dem keine Ablenkungen bestehen und alle Beteiligten entspannt sind.
- Betonen Sie die Wichtigkeit: Erklären Sie, dass eine Patientenverfügung ein wichtiges Instrument ist, um sicherzustellen, dass ihre Wünsche hinsichtlich der medizinischen Behandlung respektiert werden, wenn sie selbst nicht in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen.
- Seien Sie einfühlsam: Betonen Sie, dass Sie aus Liebe und Fürsorge handeln. Machen Sie deutlich, dass es Ihnen wichtig ist, ihre Wünsche zu verstehen und zu respektieren.
- Informieren Sie sich vorab: Seien Sie gut vorbereitet, um Fragen zu beantworten und ggf. Missverständnisse aufzuklären. Informieren Sie sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Patientenverfügung.
- Nutzen Sie Beispiele: Berichten Sie von Situationen, in denen eine Patientenverfügung geholfen hat, die Wünsche des Patienten durchzusetzen, und betonen Sie, wie hilfreich dies für alle Beteiligten war.
- Bieten Sie Unterstützung an: Bieten Sie Ihre Hilfe an, beispielsweise bei der Suche nach einem Notar oder einer Beratungsstelle und beim Ausarbeiten der Dokumente.
- Vermeiden Sie Druck: Setzen Sie Ihre Eltern nicht unter Druck. Geben Sie ihnen Zeit, über das Thema nachzudenken, und bieten Sie an, das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen.
- Respektieren Sie ihre Entscheidung: Letztlich ist es ihre Entscheidung, ob und wie sie eine Patientenverfügung verfassen möchten.
- Nutzen Sie professionelle Hilfe: Empfehlen Sie ggf. die Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht oder einen Mediziner, um alle Fragen klar und umfassend zu klären.
Wenn Ihre Eltern keine Patientenverfügung ausfüllen wollen
Ältere Personen können sich aus verschiedenen Gründen dagegen wehren, eine Patientenverfügung auszufüllen. Einige der häufigsten Gründe sind:
Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit
Das Ausfüllen einer Patientenverfügung erfordert das Nachdenken über den eigenen Tod und mögliche schwere Krankheiten. Dies kann unangenehm sein und Ängste oder Traurigkeit hervorrufen.
Unwissenheit oder Missverständnisse
Manche älteren Menschen sind möglicherweise nicht ausreichend über den Zweck und Nutzen einer Patientenverfügung informiert oder haben Missverständnisse darüber, was sie beinhaltet.
Entscheidungsüberforderung
Die Entscheidungen, die in einer Patientenverfügung getroffen werden müssen, können überwältigend wirken, insbesondere bei einer Vielzahl von medizinischen Optionen und Szenarien.
Vermeidung von Konflikten
Die Diskussion über eine Patientenverfügung kann innerfamiliäre Spannungen oder Meinungsverschiedenheiten hervorrufen, denen einige ältere Menschen lieber aus dem Weg gehen möchten.
Vertrauen in Familienmitglieder oder Ärzte
Einige ältere Menschen bevorzugen es, Entscheidungen über ihre medizinische Versorgung ihren Familienmitgliedern oder Ärzten zu überlassen, anstatt diese selbst festzulegen.
Gefühl von Kontrollverlust
Das Festlegen von Wünschen für die medizinische Versorgung in einer Patientenverfügung kann bei einigen älteren Menschen das Gefühl verstärken, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren.
Skepsis gegenüber dem medizinischen System
Einige ältere Menschen haben vielleicht Bedenken, dass ihre Wünsche, die in der Patientenverfügung festgehalten sind, nicht beachtet werden könnten.
Prokrastination
Manchmal wird die Erstellung einer Patientenverfügung einfach aufgeschoben, weil sie nicht als dringend empfunden wird, besonders wenn sich die Person derzeit in guter Gesundheit befindet.
«Wichtig ist es, sich intensiv mit dem Thema zu befassen»
Das Thema Patientenverfügung sei komplex, sagt Barbara Rocks, zertifizierte Beraterin in Advance Care Planning bei der SPO Patientenorganisation. Viele Patientenverfügungen seien oft unklar oder widersprüchlich. Warum die richtige Beratung und sorgfältige Formulierung entscheidend für ihre Wirksamkeit im medizinischen Alltag ist, erklärt sie im meineEltern-Gespräch.
meineeltern.ch: Im Internet gibt es unzählige Patientenverfügung. Welche ist nun die Richtige?
Barbara Rocks: Das ist keine Frage, die man pauschal beantworten kann. Wichtig ist es, sich intensiv mit dem Thema zu befassen. Heutzutage gibt es viele unterschiedliche Patientenverfügungen, deren Umfang sehr variieren kann. Interessant ist, dass die meisten so konzipiert sind, dass sie selbstständig ausgefüllt werden können. Aber da es um gravierende Entscheidungen in unserem Leben geht, rate ich dringend, sich von einem Fachmann oder einer Fachfrau beraten zu lassen. Die Wünsche und Entscheidungen sollten klar und umsetzbar sein.
Sie sind zertifizierte Beraterin in Advance Care Planning. Was ist Advance Care Planning?
Das Advance Care Planning, kurz ACP, ist ein international anerkanntes Konzept. Das Hauptziel ist es, sicherzustellen, dass die Behandlung im Falle einer Urteilsunfähigkeit den persönlichen Wertvorstellungen des Patienten entspricht. Dieser Prozess wird von Fachleuten begleitet. Die Patientenorganisation SPO berät nicht nur generell zum Thema Patientenverfügung, sondern speziell auch zum ACP.
Welche Aspekte sollten beim Ausfüllen einer Patientenverfügung unbedingt beachtet werden?
Ein häufiges Problem ist, dass viele Patientenverfügungen in der Praxis nicht umsetzbar sind, weil sie widersprüchliche Aussagen enthalten. Ein Beispiel: Eine Person will wiederbelebt werden, möchte aber nicht auf einer Intensivstation behandelt werden. Doch nach einer Wiederbelebung ist oft genau das notwendig. Daher kann es sinnvoll sein, die Verfügung mit einem Hausarzt oder einer Hausärztin durchzusprechen. Es ist essenziell, in eigenen Worten zu beschreiben, was im Leben wichtig ist und was die eigene Lebensqualität ausmacht. Diese Informationen sind für das Behandlungsteam von zentraler Bedeutung. Ebenso wichtig ist der Dialog mit Angehörigen oder bevollmächtigten Personen über den Inhalt der Verfügung. Und schliesslich muss die Patientenverfügung handschriftlich unterschrieben und datiert sein. Es gibt keine festen Formvorgaben, und sie muss auch nicht notariell beglaubigt werden. Aber ich empfehle, sie alle zwei Jahre zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren.
Zur Person
Barbara Rocks ist Beraterin SPO und zertifizierte Beraterin in Advance Care Planning.
Advance Care Planning – was ist das für ein Konzept?
Das Konzept des Advance Care Planning (ACP) hat seine Wurzeln in den USA. Es entwickelte sich in den 1980er und 1990er Jahren als Reaktion auf die wachsenden Bedenken hinsichtlich medizinischer Entscheidungen am Lebensende. ACP fördert die frühe Kommunikation zwischen Patienten, Angehörigen und medizinischem Personal, um die Wünsche und Vorstellungen der Patienten für ihre zukünftige medizinische Versorgung zu klären und sicherzustellen, dass diese respektiert werden. Das Hauptziel von ACP ist es, sicherzustellen, dass die medizinische Behandlung mit den Werten, Überzeugungen und Wünschen des Patienten übereinstimmt, insbesondere wenn er oder sie nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen. Das Konzept hat sich seitdem international verbreitet und wird in vielen Ländern angewendet.