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Testament anfechten: Hat man echte Chancen erfolgreich zu sein? 

Grundsätzlich darf jeder durch ein Testament frei darüber entscheiden, wer seine Erben sein sollen. Angehörige, die sich aber nicht gerecht behandelt fühlen und der Meinung sind, dass ein Miterbe nicht berechtigt ist, können das Testament anfechten. Doch ob eine Anfechtung auch erfolgreich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. 

Haben Sie Zweifel an der Rechtmässigkeit des Testaments, können Sie dieses anfechten.
Wenn Sie Zweifel an der Rechtmässigkeit des Testaments haben, können Sie dieses anfechten. © Stadtratte / iStock / Getty Images Plus

Testament anfechten – das Wichtigste in Kürze:

  • Ein Testament kann angefochten werden, wenn es etwa unklare Textpassagen enthält. Zur Definition
  • Es gibt vier Gründe, warum ein Testament angefochten werden kann. Zu den Gründen
  • Kinder, Eltern und Ehepartner haben einen Pflichtteil. Dieser kann nur angefochten werden, wenn er nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Mehr dazu
  • Wenn Sie Zweifel am Testament haben, haben Sie ein Jahr Zeit, diese Zweifel mit Beweisen zu untermauern. Mehr dazu
  • Je stärker Sie eine Rechtswidrigkeit beweisen können, desto höher sind Ihre Chancen, das Testament erfolgreich anzufechten. Zu den Chancen
  • Die Kosten sind unterschiedlich hoch und richten sich nach Aufwand und Grösse der Hinterlassenschaft. Zu den Kosten

Die Anfechtung von Testamenten kommt in der Schweiz häufig vor. Unklare Textpassagen, familiäre Konflikte und nichtige Testamente sind immer wieder Thema für die Gerichte. Jedes Testament muss inhaltlich und formell gesetzlichen Vorgaben entsprechen, sodass regelmässig eine Klage eingereicht werden muss, um an Erbe und Nachlass beteiligt zu werden. Welche Gründe für eine Anfechtung sprechen, was das überhaupt ist und welche Kosten zu tragen sind, lesen Sie hier.

Definition: Was ist eine Testamentsanfechtung?

Praktisch bedeutet «anfechten» in diesem Fall, dass Sie beim Nachlassgericht eine Klage einreichen, damit das Gericht über das Testament eine Entscheidung trifft. Hierzu können Sie eine Herabsetzungs- oder eine Ungültigkeitsklage erheben. Bei einer Herabsetzungsklage erreichen Sie Ihren Pflichtteil, mit einer Ungültigkeitsklage bringen Sie das gesamte Testament ins Wanken.

Welche Gründe gibt es, ein Testament anzufechten?

Es gibt vier Bereiche, bei denen Sie auf jeden Fall hellhörig werden sollten: Sittenwidrigkeit, Formmängel, Willensmängel oder fehlende Verfügungsfähigkeit. Sollten Sie zum Beispiel keinen Pflichtteil aus dem Erbe eines Elternteils erhalten oder durch einen Passus im Testament vom Erbe ganz ausgeschlossen werden, ist es nötig, das Testament anzufechten, um von Ihrem Recht Gebrauch zu machen.

Ein Beispiel für Sittenwidrigkeit ist die Enterbung der Kinder zugunsten einer Bekannten, eines Arztes oder einer Pflegekraft. Formmängel sind sehr verbreitet. Wenn nicht ein Notar das Testament verfasst oder beglaubigt hat, muss das gesamte Schriftstück von Hand verfasst und unterschrieben sein, sonst ist es formell immer unwirksam. Sollte der Erblasser zu einem Testament gezwungen oder zumindest genötigt worden sein, liegt ein Willensmangel vor. Wenn der Erblasser beim Verfassen seine Lage nicht einschätzen kann, wegen einer Erkrankung oder weil Medikamente die Wahrnehmung beeinflussen, liegt keine Verfügungsfähigkeit vor. Finden Sie Anhaltspunkte, dass einer der genannten Umstände vorliegt, sollten Sie handeln.

Kann man den Pflichtteil anfechten?

Auch der Pflichtteil kann angefochten werden, sofern Ihnen nicht der komplette Beitrag aus dem Erbe zugesprochen wurde. Das Gesetz (Art. 471 ZGB) sieht für Kinder, Ehegatten und Elternteile einen Pflichtteil vor. Nur unter sehr strengen Bedingungen kann dieser Anteil verändert werden. Im Zweifel sollten Sie das Testament anfechten und eine Herabsetzungsklage einreichen. Verläuft diese erfolgreich, wird Ihr Pflichtteil wieder hergestellt. 

Hat man echte Chancen, wenn man ein Testament angefochten hat?

Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Es hängt davon ab, ob ein guter Anfechtungsgrund vorhanden ist und ob man für die Anfechtung einen spezialisierten Anwalt beauftragt hat. Gibt es einen triftigen Grund und erhält man Hilfe von einem guten Anwalt, steigen auch die Chancen, dass die Anfechtung erfolgreich sein wird. 

Frist: Wie lange kann man ein Testament anfechten?

Wenn Sie an einem Testament Zweifel haben, sollte ein Fachanwalt oder eine Anwältin einen Blick auf die Angelegenheit werfen. Sie können Ihnen konkret und schnellstmöglich helfen. Ab dem Moment, in dem Sie von dem Mangel im Testament wissen, beginnt eine Frist von einem Jahr, in der Sie handeln müssen. Spätestens zehn Jahre nach dem Todesfall sind alle Fristen verstrichen – auch zum Schutz der bereits begünstigten Erben.

Wann ist ein Testament nicht anfechtbar?

Grundsätzlich ist ein Testament nicht anfechtbar, wenn kein Mangel vorliegt. Sofern also alle Berechtigten Ihren Pflichtteil erhalten und der Verstorbene das Testament zu Lebzeiten und bei voller Kraft der Sinne förmlich richtig verfasst hat, haben Sie keinen Grund für eine Anfechtung. Auch wenn die gesetzlichen Fristen verstrichen sind, kann das Testament nicht mehr angefochten werden.

Ist ein Demenzkranker testierfähig?

Eine Demenz mit den bekannten schweren Auswirkungen trifft viele ältere Menschen. Es stellt sich bei dieser Diagnose immer die Frage, ob eine demenzkranke Person überhaupt ein rechtmässiges Testament verfassen kann. Je nach Schwere der Krankheit ist von einer Verfügungsunfähigkeit auszugehen. Zu Lebzeiten ist bei Personen mit leichter Demenz ein notarielles Testament sinnvoll. Der Notar muss sich von der Verfügungsfähigkeit überzeugen und wird nur in diesem Fall ein Testament verfassen oder beglaubigen.

In extremen Fällen kann auch die Einholung eines ärztlichen Gutachtens notwendig sein, um den Notar vom Gesundheitszustand zu überzeugen. Nach dem Todesfall ist es noch schwieriger, die Verfügungsfähigkeit an dem Zeitpunkt, an dem das Testament verfasst wurde, zu prüfen. Hier bleibt nur ein gesundheitliches Gutachten anhand vorhandener Krankenakten, meist im Auftrag des Gerichts im Klagefall. Grundsätzlich gilt: Je knapper und einfacher das Testament ist und je leichter die Anzeichen der Demenz beim Verfassen sind, desto eher wird die Testierfähigkeit – auch rückwirkend – festgestellt.

Was passiert, wenn ein Testament angefochten wird?

Im ersten Zug ist es ratsam, sich mit den Miterben zu besprechen und eine rechtliche Beratung durch einen Anwalt zu nutzen. Wenn eine gütliche Einigung mit der Erbengemeinschaft nicht möglich erscheint, bleibt Ihnen nur der Schritt einer Klage beim Nachlassgericht. In diesem Verfahren muss ein Richter über die Gültigkeit des Testaments – im Ganzen oder nur in Teilen – entscheiden. Im Ergebnis wird entweder die Rechtsmässigkeit des Testaments festgestellt oder vom Richter eine andere Regelung getroffen. Hierbei kann exemplarisch ein vorheriges, zweifelsfreies Testament herangezogen werden oder die gesetzliche Erbfolge festgelegt werden. In einigen Kantonen, beispielsweise in Zürich, wird vorab ein Schlichtungsverfahren bei einem Friedensrichter vorgeschrieben.

Was kostet es, ein Testament anzufechten?

Am günstigsten ist der aussergerichtliche Versuch, mit den Miterben eine Lösung zu finden. Da dieser Versuch oft nicht funktioniert, müssen Sie im ersten Zug mit den Anwalts- und Gerichtskosten rechnen. Hier kommen im Zweifel schnell höhere Beträge zusammen. Eine erste Beratung bei einem Fachanwalt liegt bei etwa 200 Franken. Die Gerichtskosten hängen von der Schwierigkeit des Sachverhaltes und der Summe des Erbes zusammen. Sofern Sie mit einer Anfechtung bei Gericht Erfolg haben, müssen die anderen Erben Ihnen alle angefallenen Kosten komplett erstatten. Je grösser also Ihre Erfolgsaussichten sind, desto geringer ist das Kostenrisiko.

Wer trägt die Kosten?

Hier kommen im Zweifel in der Summe des Verfahrens schnell grosse Summen zusammen, welche Sie auslegen müssen. Sofern Sie mit Ihrer Anfechtung bei Gericht Erfolg haben, müssen die anderen Erben Ihnen alle angefallenen Kosten komplett erstatten. Je grösser also Ihre Erfolgsaussichten sind, desto wahrscheinlicher werden Ihre Kosten vollends von den anderen Erben erstattet werden müssen.

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