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Resilienz stärken – eine Fähigkeit, grosse Krisen gut zu überstehen

Das Alter bringt manche Widrigkeiten mit sich: Vergesslichkeit, Krankheit oder Probleme in der Familie. Wichtig ist es, Belastungen aushalten und Probleme lösen zu können. Wer über Resilienz – eine seelische Robustheit – verfügt, kann Krisen leichter bewältigen. Resilienz ist nämlich die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen. Sie baut auf sieben Säulen: Lösungs- und Zukunftsorientierung, Kontakte, Optimismus, Akzeptanz, Selbstwirksamkeit, Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion. Wieso eine starke Resilienz auch im Alter wichtig ist, erfahren Sie in diesem Artikel.

Wer resilient ist, der lässt sich von den Herausforderungen des Lebens nicht so schnell unterkriegen.
Wer resilient ist, der lässt sich von den Herausforderungen des Lebens nicht so schnell unterkriegen. © SDI Productions / E+

Resilienz stärken – das Wichtigste in Kürze:

Das Leben hat auch im hohen Alter einige Herausforderungen zu bieten. Dabei wäre es doch schön, jetzt jeden Tag geniessen zu können. Wer resilient, also psychisch widerstandsfähig ist, kann das eher. Glücklicherweise kann man die Resilienz auch im Alter noch reaktivieren. Doch wie übt man Resilienz? Kann man seine Resilienz stärken?

Was ist Resilienz?

Resilient zu sein, bedeutet nicht, frei von Stress, Druck, Konflikten, Widrigkeiten, Ängsten und Unsicherheiten zu sein. «Vielmehr ist die Fähigkeit gemeint, mit diesen Problemen und Herausforderungen erfolgreich umgehen zu können, wenn sie auftauchen», erklärt der Luzerner Gerontologe Tomas Kobi. «Es geht dabei darum, dass Menschen auf persönliche und soziale Ressourcen zurückgreifen, um Krisen im Lebenszyklus meistern zu können und dies als Anlass für Entwicklung zu nutzen.»

Starke Resilienz im Alter: Das sind die Vorteile

Wer resilient ist,

  • schafft es, auch aus schwierigen Situationen das Beste zu machen
  • kann Stresssituationen besser aushalten,
  • hat eine höhere Lebenszufriedenheit.

Darum sollten auch Senioren ihre Resilienz stärken

Das Alter bringt eine Reihe von Schicksalsschlägen mit sich. Wenn Krankheiten chronisch werden, Freunde sterben oder das Haus aufgegeben werden muss, leidet das Herz. Solche Ereignisse sind grosse Herausforderungen. «Doch trotz aller Widrigkeiten und Krankheiten verspüren viele Menschen Zufriedenheit und Wohlbefinden», sagt Tomas Kobi. «Resilienz ist auch im Alter wirksam. Schwierigkeiten lassen sich dann positiv bewältigen.»

Kann Resilienz trainiert werden?

Der Aufbau von Resilienz ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen passiert. Wer seine Resilienz stärken will, muss dran bleiben. Die folgenden Tipps können helfen, resilient zu werden:

Beziehungen stärken: Ein gutes soziales Netzwerk spielt eine wichtige Rolle. Gute Beziehungen sind erfüllend und machen glücklich. Freunde geben einem aber auch die nötige Unterstützung in schlechten Zeiten. Neue Freundschaften kann man zum Beispiel in lokalen Vereinen oder im Rahmen eines ehrenamtlichen Engagements finden.

Jeden Tag bedeutungsvoll machen: Man sollte jeden Tag etwas tun, das einem ein Gefühl von Erfüllung und Sinn gibt. Am besten setzt man klare, erreichbare Ziele.

Aus Erfahrungen lernen: Sich daran zu erinnern, wie man in der Vergangenheit mit Schwierigkeiten fertig geworden ist, führt einem vor Augen, wozu man fähig ist. An die Strategien denken, die einem in schwierigen Zeiten geholfen haben, können erneut helfen.

Hoffnungsvoll bleiben: Die Vergangenheit kann nicht geändert werden, der Blick in die Zukunft schon. Wer Veränderungen akzeptiert, kann sich leichter anzupassen und neuen Herausforderungen mit weniger Angst zu begegnen.

Sich um sich selbst kümmern: Die eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu berücksichtigen, ist zentral. Genauso wichtig ist es, Dinge zu tun, die Spass machen. Wichtig sind zudem Bewegung im Alltag, ausreichend Schlaf und eine ausgewogene Ernährung. Der richtige Umgang mit Stress ist ebenso essenziell. Entspannungstechniken wie die progressive Muskelentspannung oder Yoga eignen sich gut.

Proaktiv sein: Man sollte seine Probleme nicht ignorieren. Stattdessen sollte man herausfinden, was gemacht werden muss, um das Problem zu lösen. Es kann einige Zeit dauern, sich von einem Rückschlag oder einem Verlust zu erholen. Wichtig ist, dass man sich vor Augen führt, dass die Situation besser wird.

Freundschaften im Alter sind wichtig für eine starke Resilienz.
Freundschaften im Alter sind wichtig für eine starke Resilienz. © blackCAT / E+

Ist Resilienz angeboren oder erlernbar?

Resilienz ist genetisch bedingt, doch sie wird auch wesentlich von der Umwelt geprägt. Erwachsene, die Schwierigkeiten relativ leicht meistern können, hatten in ihrer Kindheit meist eine warme emotionale Bindung zu mindestens einer Bezugsperson. Das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie der US-Entwicklungspsychologin Emmy Werner. Sie untersuchte den Werdegang von rund 700 hawaiianischen Kindern des Jahrgangs 1955.

Tomas Kobi sagt: «Jeder Mensch verfügt über Kompetenzen, mit Problemen zurechtzukommen. Diese Ressourcen lassen sich reaktivieren.» Resilienz sei von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt. «Sie kann jedoch unabhängig von der individuellen Ausgangsbasis in jedem Alter trainiert werden – auch im hohen Alter.» Daher sei es hilfreich, wenn Angehörige älteren Menschen vermitteln: «Auch du hast Handlungs- und Spielräume, die sich nutzen lassen.»

Das sind die sieben Säulen der Resilienz

Resilientes Verhalten kann man erlernen. Dafür orientiert man sich in der Regel an den sieben Säulen der Resilienz. Dazu gehören Lösungs- und Zukunftsorientierung, Kontakte, Optimismus, Akzeptanz, Selbstwirksamkeit, positive Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion. Folgend wird näher auf die einzelnen Säulen eingegangen:

1 Lösungs- und Zukunftsorientierung: Die Aufmerksamkeit in die Gegenwart zu lenken, ist notwendig, um erfüllt zu leben. Gelegentlich einen Blick in die Zukunft zu wagen, ist hilfreich, um sie positiv zu beeinflussen und wichtige Bedürfnisse zu berücksichtigen.

2 Kontakte: Zugehörigkeit ist ein grundlegendes Bedürfnis jeden Menschen. Wir alle wollen uns eingebunden und aufgehoben fühlen. Überdies können Kontakte neue Impulse setzen. Ein Beispiel: «Ach, mein Nachbar zieht in eine Institution mit betreutem Wohnen, das könnte ich mir mal ansehen.»

3 Optimismus: Ein positiver Blick auf das, was das Leben beschert, hilft, kreativ Lösungen zu suchen und zu akzeptieren. Alles, was im Leben passiert, hat zwei Seiten – und auch die Krise hält ihre Chance bereit – zum Beispiel, an ihr zu wachsen.

4 Akzeptanz: Manche Ereignisse können nicht verändert werden. Dann macht es auch keinen Sinn, sich darüber zu ärgern. Wer die Fähigkeit zur Akzeptanz besitzt, hat es im Leben leichter.

5 Selbstwirksamkeit: Andere Ereignisse lassen sich dagegen durchaus ganz aktiv beeinflussen. Wer reflektiert, seinen Standpunkt sucht und dann beherzt eingreift, spürt die eigenen Stärken.

6 Selbstwahrnehmung: Sie ist wichtig, um herauszufinden, welche Bedürfnisse hinter den Gefühlen liegen. Unzufriedenheit, Wut, Trauer zeigen an, dass wichtige Bedürfnisse wie Wertschätzung, Inspiration, Bewegung oder Zugehörigkeit unerfüllt sind. Wer dies erkennt, kann versuchen, das Bedürfnis zu befriedigen. Durch Achtsamkeit gelingt es, mehr freudige Momente des Tages zu erkennen.

7 Selbstreflexion: Warum handle ich so und nicht anders? Welche Gedanken steuern meine Gefühle? Wer sich auf diese Weise hinterfragt, eröffnet sich neue Handlungsmöglichkeiten.

Welche vier Faktoren beeinflussen die Resilienz?

Tomas Kobi hebt vier Faktoren besonders hervor, die helfen, mit Problemen erfolgreich umzugehen: die positive Selbstwahrnehmung, die Kontrollüberzeugung, Hoffnung und Selbstwirksamkeit. «Wer sich zum Beispiel selbstwirksam fühlt, ist davon überzeugt, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können», erklärt Tomas Kobi.

Aaron Antonovsky, israelisch-amerikanischer Soziologe, war überzeugt, dass mit etwa mit 20 bis 30 Jahren das Gefühl für Kohärenz, also für logische, zusammenhängende und nachvollziehbare Gedankengänge, relativ fest geformt sei und dann auch weitestgehend stabil bleibe. «Das Kohärenzgefühl steht in direktem Zusammenhang mit dem Resilienzfaktor Selbstwirksamkeit», erläutert Tomas Kobi. «Es ist eine wichtige Voraussetzung für Resilienz.»

Kann man Resilienz auch im Alter lernen?

Ja, das ist möglich. Wie findet man das aber heraus? Wer sich auf seine Fähigkeit, Problemen zu lösen, zurückbesinnen möchte, nimmt ein Fotoalbum in die Hand. Es erleichtert, sich zu erinnern, welche Probleme und Widerstände im Leben bereits hinter einem liegen. Wie hat man sie bewältigt? Was hat einem dabei geholfen? Welche Fähigkeiten waren entscheidend? Hat einen die Krise wachsen lassen?

In jedem Lebensalter gibt es Situationen, in denen wir uns schwach und ohnmächtig den Schicksalsschlägen ausgeliefert fühlen. «Doch in jedem Menschen stecken Ressourcen – wie in einer Schatzkiste, die lange nicht geöffnet wurde», sagt Tomas Kobi. Nach dem behutsamen Öffnen würden sich darin Ressourcen finden, die sich aktivieren lassen.

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