Tod

Tod eines Elternteils: Wie geht man mit dieser Lücke im Leben um? 

Wut, Trauer, Schock, vielleicht auch – nach einer schweren Krankheit – ein Stück Erleichterung – all diese Gefühle können sich nach dem Tod eines Elternteils einstellen. Wie der Trauerprozess abläuft, ist besonders von der Beziehung zum verstorbenen Menschen und dem Zugang zu den eigenen Gefühlen abhängig. Wichtig ist, die starken Emotionen nicht zu verdrängen, sondern zuzulassen. Rituale können dabei helfen. 

Eine Grafik zeigt eine trauernde Frau.
Der Tod eines Elternteils trifft erwachsene Kinder besonders hart. © saifulasmee chede/iStock /Getty Images Plus

Eines Tages werden unsere Eltern – wahrscheinlich vor uns – sterben. Das wissen wir. Und doch: Steht der Tod kurz bevor oder hat sich Mutter oder Vater bereits für immer verabschiedet, stehen wir unter Schock. Wie kann das sein, dass das Herz eines Menschen, den wir unser ganzes Leben lang kennen und – trotz aller Konflikte – auch lieben, nicht mehr schlägt? Das einschneidende Erlebnis mit dem Tod und die Lücke, die der Tod hinterlässt, sind nicht immer leicht zu verarbeiten.

Tod eines Elternteils: Wie trauern Kinder?

«Wie der Prozess der Verarbeitung verläuft, ist sehr individuell und hängt von vielen Faktoren ab», erklärt die Psychotherapeutin Esther Huser aus Zürich. Eine Rolle spielt zum Beispiel: 

  • Das Alter beim Verlust des Elternteils: Für Kinder wiegt der Verlust eines Elternteils besonders schwer. Denn je jünger ein Mensch ist, desto einschneidender ist der Tod von Mama oder Papa für seine Entwicklung. Auch junge Erwachsene leiden sehr. «Sie werden oft durch den Verlust aus ihrem Leben gerissen und finden manchmal nicht zurück», weiss Esther Huser. 
  • Die Qualität der Beziehung: Wenn schwere Konflikte, die vielleicht bereits in der Kindheit wurzeln, die Beziehung zum verstorbenen Elternteil belastet haben, fällt es schwerer, den Tod zu akzeptieren. Nun gibt es keine Möglichkeit mehr, offene Gespräche und Nähe entstehen zu lassen.
  •  Die Art und Weise, wie Vater oder Mutter gestorben sind: Der Tod kann friedlich daherkommen, er kann sich aber auch lange hinziehen und qualvoll werden. Je tiefer die traumatischen Spuren sind, die der Tod bei den Hinterbliebenen hinterlässt, umso schwerer haben sie es, mit ihm zurechtzukommen.
  • Der Zugang zu den eigenen Gefühlen: «Wesentlich ist auch, ob die Betroffenen eher gut mit eigenen Emotionen umgehen können – oder nicht», so Esther Huser. Gut umgehen – das bedeute: Gefühle wie Trauer, Wut oder Einsamkeit wahrzunehmen und ihnen einen angemessenen Platz im Leben zu bieten. 

Tod eines Elternteils: trauern braucht Zeit

All diese Faktoren haben einen Einfluss auf die Dauer der Verarbeitung. Bei manchen Menschen vergehen Wochen, bei anderen Jahre. Andere setzen sich ihr ganzes Leben lang immer wieder mit dem Tod des Elternteils auseinander. Eine Vorgabe, wie lange sich ein solcher Prozess hinziehen darf, gibt es nicht. 

Doch wäre es in vielen Fällen ideal, wenn Hinterbliebene sich zunächst nur um sich und den verstorbenen Menschen kümmern könnten. Dafür bräuchten sie befreundete oder verwandte Personen, die sämtliche Alltäglichkeiten übernähmen. Die Hinterbliebenen hätten Zeit, je nach Bedürfnis allein oder mit anderen zu sein, zu weinen und sich Fotos anschauen. 

Tod eines Elternteils: die wichtigste psychologische Strategie

Es gibt eine besonders wichtige psychologische Strategie, mit dem Verlust eines Elternteils umzugehen. «Sie besteht darin, die innere Trauer zuzulassen», erklärt Esther Huser. Das fällt gerade am Anfang schwer, denn kurz nach einem Todesfall ist in der Regel viel zu organisieren: die Beerdigung vorbereiten, möglicherweise den verbliebenen Elternteil unterstützen, den Haushalt auflösen, das Testament einreichen. Esther Huser: «Dabei gilt es, in all diesen Aktivitäten Menschen, Orte und Situationen zu finden, mit denen und in denen die eigene Trauer Platz hat.» Jeder Mensch dürfe so trauern, wie sich die Gefühle aufdrängen: zum Beispiel wie gelähmt nur herumsitzen, stark weinen oder immer wieder über die verstorbene Mutter oder den verstorbenen Vater sprechen. «Diese Bedürfnisse können sich täglich ändern.»

Ein Beispiel eines Abschiedsbriefes.
Ein Abschiedsbrief kann helfen, die Trauer zu überstehen. © meineeltern.ch

Tod eines Elternteils: Rituale helfen

Es tut gut, mit anderen Menschen über den Verlust zu sprechen. «Hilfreich ist auch, Rituale vorzubereiten, um mit dem Tod umzugehen», weiss Esther Huser. Trostspendende Rituale können sein:

  • An einem Ort, an dem sich der verstorbene Mensch gern aufhielt, etwas pflanzen und pflegen.
  • Einen Ort, an dem der verstorbene Mensch gern war, zu verschiedenen Zeiten des Jahres fotografieren.
  • Sich vorstellen, wie der Elternteil noch immer im Alltag vorhanden ist, ihm beim Verlassen des Hauses zum Beispiel zuwinken.

Negative Gefühle und Gedanken verabschieden

Nicht immer wird das emotionale Erbe, das der verstorbene Mensch hinterlässt, als überwiegend positiv empfunden. Wie lässt sich mit alten Konflikten und Verletzungen sinnvoll umgehen? Um den eigenen Schmerz auszudrücken, hilft um Beispiel:

  • Einen letzten Brief schreiben, in dem Ungesagtes seinen Platz hat.
  • Die Schmerzen und ungesagten Worte symbolisch in eine Schachtel packen und diese dann auf geeignete Weise aus seinem eigenen Leben entfernen.

Tod eines Elternteils: zurück in den Beruf?

Viele Menschen sind froh, wenn sie sich von den Gefühlen, die der Tod eines Elternteils auslöst, ablenken können. Der berufliche Arbeitsalltag kommt ihnen dann gerade recht. «Andere dagegen können sich nach einem Todesfall in der Familie nur schlecht konzentrieren, sind antriebslos oder müssen viel weinen.» Esther Huser rät in diesen Fällen, einen Arzt aufzusuchen und ihm die Situation zu erklären. Alternativ liesse sich mit dem Arbeitgeber besprechen, ob es möglich ist, im Homeoffice zu arbeiten oder einige Tage Ferien zu nehmen, um die akute Phase der Trauer zu überstehen. Einen Sonderurlaub für Trauernde gibt es leider nicht – in der Regel nur einen freien Tag für die Beerdigung eines nahen Verwandten.

Manchmal ist professionelle Hilfe sinnvoll

Die Gefühle sind so stark, dass sie kaum auszuhalten sind? Oder sie sind einfach verdrängt? Nicht nur in diesen Fällen wird professionelle Hilfe notwendig. Esther Huser: «Wichtig ist sie vor allem auch dann, wenn die Trauer nicht vergeht – oder mit der Zeit sogar immer stärker wird.» In einer Therapie lassen sich starke Schuldgefühle und/oder ein traumatischer Tod aufarbeiten, um sich nach und nach vollständig dem eigenen Leben zuzuwenden.

Zur Person

Esther Huser
Esther Huser. © zVg.

Die Psychologin und Psychotherapeutin Dr. phil. Esther Huser war bis 2020 in ihrer Praxis in Zürich tätig. Einer ihrer Schwerpunkte war dabei die Trauerbewältigung und die Therapie der komplizierten Trauer. 

 

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