Pflege

Pflegefall Eltern: Wenn Kinder und Eltern plötzlich die Rollen tauschen

Ein einziger Moment kann das gesamte Leben verändern. Nicht nur die Person, die einen Unfall oder einen Herzinfarkt erlitten hat, sondern auch die Personen, die ihr nahe stehen, leiden. Nach einem solch tragischen Ereignis müssen Angehörige viele organisatorische und praktische Dinge bedenken. Ein Leitfaden für Angehörige.

Werden Angehörige zum Pflegefall, ist dies meist eine zusätzliche Belastung
Werden Angehörige zum Pflegefall, ist dies meist eine zusätzliche Belastung © Tao55 / Getty Images Plus

Pflegefall – das Wichtigste in Kürze:

Natürlich wünschen wir unseren Eltern, dass sie lange allein in den eigenen vier Wänden zurechtkommen. Doch Unfälle oder plötzlich auftretende Krankheiten können ganz unerwartet kommen. Was tun, wenn jemand zum Pflegefall wird?

Ambulante Pflege organisieren, ein Pflegeheim suchen, Finanzierungsfragen klären – wenn ein nahestehender Mensch zum Pflegefall wird, ist viel zu erledigen. Je mehr Fragen unklar sind, umso schneller fühlt man sich überfordert. Deshalb ist es besonders wichtig, sich detailliert beraten zu lassen und Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Was tun, wenn Eltern plötzlich zum Pflegefall werden?

Wenn Eltern pflegebedürftig werden, können diese 7 Tipps helfen, die Situation einzuschätzen und besser damit umgehen zu können.

Pflegeform festlegen

Wenn der Arzt die Pflege angeordnet hat, sollten Sie zusammen mit dem pflegebedürftigen Angehörigen überlegen, was sinnvoll ist: Pflege zu Hause,  durch Spitexorganisationen oder ein Eintritt ins Pflegeheim?

Sich beraten lassen

Gut informiert lassen sich die Entscheidungen treffen, die auf den individuellen Fall am besten zugeschnitten sind. Die Mitarbeitenden des Case-Managements in den Spitälern kennen die verschiedenen Organisationen, die weiterhelfen können und beraten Pflegebedürftige sowie ihre Angehörigen. Informationen bieten unter anderem auch Pro Senectute, die Caritas Schweiz, das Schweizerische Rote Kreuz, Alzheimer Schweiz, die Krebsliga und die Lungenliga Schweiz.

Hilfe in Anspruch nehmen

Danach gilt es, sich konkret Unterstützung bei den täglichen Arbeiten zu holen, wie zum Beispiel beim Entlastungsdienst des Schweizerischen Roten Kreuzes oder bei Pro Senectute. Jede Hilfe entlastet. Aufgaben lassen sich gemeinsam schultern – mit weiteren Familienmitgliedern, Freunden und Freundinnen und Nachbarn.

«Angehörige, die sich selbst vergessen, haben möglicherweise am Ende gar keine Energie mehr, sich um den pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern», warnt Aline Berthoud, Verantwortliche Entlastung im Alter beim Schweizerischen Roten Kreuz des Kantons Bern. Dazu gehören diejenigen, die sich fühlen wie in einem Hamsterrad, unter Schlafstörungen leiden, selbst krank werden oder kaum noch Zeit haben, Freundschaften zu pflegen.

Kontakt zu Pflegediensten aufnehmen

Pflegedienste helfen unter anderem bei der Körperpflege, beim An- und Auskleiden, Betten und Lagern. Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen finden sich bei Pro Senectute und anderen gemeinnützigen Verbänden vor Ort. Darüber hinaus kann eine 24-Stunden-Pflege eine sinnvolle Alternative zu einem Platz im Pflegeheim sein.

Umzug ins Pflegeheim planen

Wird ein Umzug ins Pflegeheim notwendig, findet sich hier einen Leitfaden.

Patientenverfügung abschliessen

Eine Patientenverfügung gibt pflegebedürftigen Angehörigen die Sicherheit, dass in ihrem Sinne gehandelt wird. Das entlastet auch Sie als betreuende Person, denn Sie müssen keine schweren Entscheidungen treffen.

Vorsorgeauftrag ausstellen

Mit dem Vorsorgeauftrag erhalten betreuende Personen Entscheidungsbefugnisse, wenn pflegebedürftige Angehörige dazu nicht mehr in der Lage sind. Beim Schweizerischen Roten Kreuz lässt sich ein Muster herunterladen.

Wer zahlt, wenn die Eltern ein Pflegefall werden?

Ihre Mutter oder Ihr Vater möchte zu Hause von der Spitexorganisation unterstützt werden? Oder ist ein Umzug ins Pflegeheim geplant? In beiden Fällen gestaltet sich die Finanzierung unterschiedlich.

Bei der ambulanten Pflege übernehmen die Krankenversicherungen nach der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) folgende Anteile:

  • für die Grundpflege 52.60 Franken pro Stunde
  • für Untersuchung und Behandlung 63 Franken pro Stunde
  • für die Abklärung, Beratung, Koordination 76.90 Franken pro Stunde

«Pro Einsatz werden minimal 10 Minuten in Rechnung gestellt», erklärt Lisa Pesenti, stellvertretende Leiterin Kommunikation bei der Spitex Schweiz. «Anschliessend wird in Einheiten von fünf Minuten abgerechnet.» Die Pflegebedürftigen bezahlen zusätzlich zum normalen Selbstbehalt und der Franchise je nach Kanton und Gemeinde eine Patientenbeteiligung von maximal 15.35 Franken pro Tag. Die Restfinanzierung übernehmen der Kanton respektive die Gemeinde. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Krankenversicherung, die pflegebedürftige Personen und gegebenenfalls die öffentliche Hand übernehmen die Kosten für die stationäre Langzeitpflege. Die Krankenversicherung zahlt 9.60 Franken pro Pflegestufe pro Tag. Die pflegebedürftige Person selbst leistet höchstens 23 Franken pro Tag. Die Restkosten übernimmt der Wohnkanton. Mehr Informationen finden Sie hier.

Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber den Eltern

Was passiert, wenn Pflegebedürftige keine Selbstbeteiligung leisten können? «In der Regel kommen dann die Ergänzungsleistungen zum Zug», weiss Claudia Brüngger, Fachspezialistin Unternehmenskommunikation bei der Swica. «Betroffene sollen sich in einem solchen Fall an die Ausgleichskasse der Wohngemeinde wenden.»

In Art. 328 Abs. 1 ZGB heisst es: «Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.» Es gibt also eine Verwandtenunterstützungspflicht.

Doch erst dann, wenn das Vermögen des pflegebedürftigen Menschen fast aufgebraucht ist und auch Ergänzungsleistungen und andere Hilfen für die Finanzierung der Pflege nicht ausreichen, wird diese Unterstützungspflicht relevant. Sie gilt ausschliesslich für Verwandte in aufsteigender oder absteigender Linie, also für Eltern, Grosseltern oder Kinder. Herangezogen wird nur, wer finanziell «in günstigen Verhältnissen» lebt. Das bedeutet, dass die finanziellen Verhältnisse über dem Durchschnitt liegen müssen. Orientierungshilfe bietet die Richtlinie Kapitel F.4 der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos).

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